Dunga – „der Deutsche“

Der Trainer der Brasilianer setzt auf Disziplin und Ordnung. Auch seine Hoffnungen ruhen auf den Schultern von Kaka.

Johannesburg. Natürlich ist das ein Zufall, aber es passt in diese brasilianischen Tage der Unruhe und zu diesem brasilianischen Trainer. "Herr Dunga, wie lebt es sich damit, immer kritisiert zu werden für den Stil, den man spielen lässt?", fragte ein englischer Journalist gestern Abend vor dem heutigen WM-Auftakt gegen Nordkorea.

Doch Dunga versteht kein Englisch, und die Übersetzung ins Portugiesische - sie funktionierte im Presseraum des Ellis-Park gerade wieder nicht. Stille. Dunga lächelte. Vielleicht ahnte er diese Frage, er muss sich ohnehin damit auseinandersetzen, Tag für Tag.

Brasilianer lieben das Leben, und so spielen sie Fußball: Fröhlich und offensiv, ohne Kompromisse. Als am Montagabend die B-Elf die vermeintliche Startelf im Abschlusstraining bezwang, da feierten die Spieler auf dem Rasen, sangen und stellten sich zum improvisierten Siegerfoto auf. Dunga war da schon in den Katakomben verschwunden.

Er hat der Selecao Disziplin und Strategie beigebracht, geliebt wird er dafür nicht. "Sie werden immer kritisiert, von Journalisten, von Fans. Aber diese WM ist ein Turnier, in dem es um mehr geht, als um spielerische Stärke", sagte Dunga. Und lächelte. Als wollte er sagen: Ihr werdet es ohnehin nie begreifen.

Er hat sich mit den Journalisten angelegt, sie beschuldigt, Unwahrheiten zu verbreiten, Geheimtraining angesetzt, die Interviews reduziert. 2006, als die Brasilianer im schweizerischen Weggis unter dem Trainer Carlos Alberto Parreira beinahe jeden Tag vor begeisterten Fans trainiert hatten, scheiterten die Brasilianer bei der WM in Deutschland kläglich.

Dunga wurde hernach installiert. Ballzauberer wie Ronaldo, Ronaldinho, Adriano oder auch der ehemalige Bremer Diego sind nicht mehr gefragt, stattdessen genießen Spieler wie Josue (Wolfsburg), Felipe Melo (Juventus Turin) oder die beiden Mailänder Verteidiger Maicon und Lucio große Wertschätzung.

Mit dieser defensiven Stärke lässt es sich ungetrübter angreifen: Die Hoffungen liegen auf Kaká, natürlich. Er hatte bei Real Madrid lange mit Verletzungen zu kämpfen. Vor allem Luis Fabiano (FC Sevilla) und Robinho (FC Santos) sollen es vorne richten.

Das "Hexa Campeonato" soll her, der sechste WM-Titel, aber Dunga weiß, dass die Arbeit vor dem Pokal steht. Er weiß, wie kein anderer Brasilianer. Er wird "der Deutsche" genannt.

Und das ist kein Kompliment. Wie zum Beweis sprach der 46-Jährige, der in der Bundesliga einst für Stuttgart gespielt hatte, gestern über das deutsche Team, über die Ordnung, die Disziplin und die Spielkunst der Elf beim 4:0-Auftaktsieg gegen Australien. Über die Verbindung von alledem. So will es Dunga auch. Heute gegen Nordkorea.

“ Brasilien - Nordkorea (20.30 Uhr/ZDF)

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