Doping: Schatten auf Olympia im „Reich der Mittel“

Experten geschockt nach ARD-Dokumentation drei Wochen vor den Spielen in Peking.

Köln. Überraschen kann ihn eigentlich nichts mehr im olympischen Spitzensport, aber was ein ARD-Team über illegale Gendoping-Therapien im Land der Olympischen Spiele 2008 recherchierte, hat bei Anti-Doping-Experten wie Professor Mario Thevis, Sprecher des Zentrums für präventive Dopingforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln, doch für Erstaunen gesorgt. "In dieser belegbaren Form habe ich mir das nicht vorgestellt", sagte der Biochemiker. In dem am Montagabend ausgestrahlten Fernsehbeitrag von Hajo Seppelt und Jo Goll war gezeigt worden, dass Gendoping in China nichts Ungewöhnliches ist.

In einem Krankenhaus boten chinesische Ärzte einem Reporter, der als Schwimmtrainer auftrat, eine Stammzellen-Behandlung zur Leistungssteigerung an. Die Kur sollte 24000 Dollar kosten. Das Angebot wurde mit versteckter Kamera gedreht. Dabei erklärte ein Stationsarzt, wie die Behandlung zu erfolgen hat. "Es dauert zwei Wochen. Ich empfehle vier intravenöse Verabreichungen: 40 Millionen Stammzellen, vielleicht auch das Doppelte, je mehr, desto besser."

"Das ist mit gewaltigen Gesundheitsrisiken verbunden. Das finde ich schockierend", sagte der Kölner Gendoping-Experte Patrick Diel. "Ich war sehr erstaunt, das zu sehen. Ehrlich gesagt, übertrifft das meine schlimmsten Befürchtungen." Zweifel an der leistungssteigernden Wirkung einer Gendoping-Behandlung äußerte Thevis: "Mir ist schleierhaft, was man mit dieser intravenösen Verabreichung von Stammzellen bei Athleten erreichen kann."

Stammzellen würden bei schweren Erkrankungen wie Parkinson eingesetzt. Diese Versuche seien jedoch erst im "experimentellen Stadium". In dem Beitrag von Seppelt und Goll spricht eine chinesische Athletin über Kinder-Doping, außerdem belegt die Recherche, dass dopingbelastete Trainer weiter Schwimmer der Nationalmannschaft betreuen. Trotz heftiger Dementis der Sportführung reiste eine belastete Trainerin nachweislich zu den Kurzbahn-Weltmeisterschaften nach Manchester.

Die Recherchen der ARD in China gestalteten sich überaus schwierig. Trainingslager werden streng abgeschirmt, Sportler und Trainer zum Schweigen verurteilt, Dopingtests externer Kontrolleure nicht zugelassen. Die Reportage zeigt chinesische Pharmakonzerne, die den weltweiten Schwarzmarkt mit Dopingmitteln überfluten. "Wir stellen Athletinnen und Athleten nicht unter Generalverdacht, aber wir werden bei Olympia genau hinschauen" kündigte NDR-Fernseh-Programmdirektor Volker Herres an.

Auch die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada zeigte sich von der drohenden neuen Dimension des Dopings schockiert. "Es ist erschreckend, dass Gesundheitsexperten einen solchen Mangel an Ethik an den Tag legen und für viel Geld Experimente an Menschen durchführen", sagte Wada-Direktor David Howman: "Es ist schrecklich zu sehen, dass es angewendet wird in dem Land, wo die Spiele stattfinden."

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