Die Vergangenheit von Willi Daume

Der Historiker Jan Rode über Deutschlands bedeutendsten Sportfunktionär.

Düsseldorf. Er ist der bedeutendste deutsche Sportfunktionär der Nachkriegsgeschichte, er holte die Olympischen Spiele 1972 nach München. Im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) zählte er zu den Gegenspielern des Spaniers Juan Antonio Samaranch. Willi Daume (1913 bis 1996) war ein Schöngeist, einer, der über den Sport hinaus dachte, obwohl er Zeit seines Lebens ein glühender Verehrer des olympischen Athleten war.

Der frühere Präsident des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees war nach den Erkenntnissen des Hannoveraner Historikers Jan C. Rode im Zweiten Weltkrieg Informant des Sicherheitsdienstes der SS.

Rode: Ich würde von ihm wissen wollen, wie er es sich Anfang der fünfziger Jahre vorgestellt hat, den deutschen Sport wieder in die Mitte der deutschen Gesellschaft zu führen - den Sport, der belastet war durch den Nationalsozialismus und seine Rolle als eine Art paramilitärische Ausbildungsinstanz der NSDAP.

Rode: Nein, weil das bei weitem nicht das Hauptanliegen meiner Arbeit war. In meinem Fazit führe ich in 14 Punkten auf, was das Leben des Menschen und des Sportfunktionärs Willi Daume ausgemacht hat - nur einer davon betrifft die NSDAP-Vergangenheit.

Rode: Ja und Nein. Als Wissenschaftler hätte ich mir die Darstellungen wirklich ein bisschen differenzierter gewünscht. Als Autor bin ich allerdings nicht unglücklich, dass die Arbeit solche Aufmerksamkeit bekommt.

Rode: Ja, aber es ist zumindest irritierend, dass der Deutsche Olympische Sportbund noch im Dezember 2009 ausdrücklich behauptet hat, Daume sei nie in der NSDAP gewesen. Daume ist 1937 eingetreten, nicht - wie viele andere Funktionäre - gleich nach der Machtergreifung 1933, aber auch nicht erst 1938, wie er es selbst gesagt hat.

Rode: Er selbst hat es 1993 in einem Interview für ein Forschungsprojekt an der Universität Hannover erzählt. Er hat dabei gesagt, dass er die Informantentätigkeit 1943 angenommen hat, um einem Fronteinsatz zu entgehen. Nach seiner Darstellung habe er nur belanglosen "Blödsinn" erzählt.

Rode: Dem Forschungsprojekt fehlte die Anschlussfinanzierung, es gab keine Veröffentlichung, die Aufzeichnungen schlummerten vor sich hin.

Rode: Nein. Nach meinen Recherchen war er nicht mehr als ein Mitläufer. Es gibt Berichte, in denen bestätigt wird, dass er während des Krieges geholfen hat, Niederländer in ihre Heimat zurückzubringen. Darüber hinaus finden sich auch keine antisemitischen Äußerungen seinerseits.

Rode: Nein, nach meiner Einschätzung gibt es dafür keinen Anlass. Seine Leistungen für die Einheit des deutschen Sports und die Olympische Bewegung sind dadurch nicht geschmälert.

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