Das Abenteuer Südafrika

WM-Auslosung: Mit der Gruppenziehung beginnt in Afrika eine neue Zeitrechnung. Die Bevölkerung bleibt skeptisch.

Kapstadt. Selbst Nelson Mandela wird dabei sein, auch wenn er nur per Videobotschaft in das Convention Center in Kapstadt geschaltet wird. Aus der Öffentlichkeit hat sich der Anti-Apartheid-Führer seit geraumer Zeit zurückgezogen, er ist gesundheitlich angeschlagen. Zum letzten Mal war er vor acht Monaten auf einer Bühne zu sehen, pünktlich zu den Wahlen im April dieses Jahres.

Es wird ein rührseliger Moment, weil der ehemalige Staatspräsident, Friedensnobelpreisträger und seine Politik des Ausgleichs der Ursprung dafür sind, dass am Freitag das größte Abenteuer der WM-Geschichte tatsächlich ein Gesicht erhält: Die Auslosung im International Convention Center (CTICC) in Kapstadt am Ufer des Atlantischen Ozeans ist der unverrückbare Beginn des ersten Weltturniers auf dem afrikanischen Kontinent. Seit Tagen bereiten sie dieses Ereignis vor. Hauptstraßen sind gesperrt, auf der Long Street, die von der "Waterfront" in das Innere der Mutterstadt, weil ältesten Stadt, führt, wird es am Abend ein großes Fanfest geben. Die Fifa bringt die WM auf die Straße, auch das ist ein Test für die geplanten "Public-Viewing-Fanfeste".

"Wir rechnen mit rund 15000 Menschen, die auf den Straßen Kapstadts feiern werden", sagt ein Polizeisprecher.

Die Dimension sind gigantisch: Die Endrunden-Auslosung wird live in über 200 Länder übertragen, mehr als 200 Millionen Zuschauer sollen an den Bildschirmen zusehen. Allein 2000 Gäste und über 1700 Medienvertreter sind im CTICC vor Ort.

Südafrikas Oscar-Gewinnerin Charlize Theron wird die Auslosung moderieren. Fußballstar David Beckham, die Leichtathleten Haile Gebrselassie und Makhaya Ntini, der erste dunkelhäutige Cricket-Nationalspieler Südafrikas, Matthew Booth, der einzige weiße Fußball-Nationalspieler des Landes, Südafrikas Fußball-Nationalspielerin Simphine Dludlu und John Smith, der Kapitän des südafrikanischen Rugby-Teams, werden die Lose ziehen.

3600 Arbeits- und 5000 Produktions-Stunden wurden seit der Planung in die Show investiert, in der das Maskottchen Zakumi als 3-D-Animation Co-Moderator ist. Der Gigantismus der Fifa steht noch im Gegensatz zum unaufgeregten Gemüt der Südafrikaner. "Es ist noch eine lange Zeit bis zur WM", sagt ein Passant in Kapstadt, "und viele hier werden nicht dabei sein können."

Für die schwarze Bevölkerung sind die Tickets unerschwinglich teuer. Dabei ist es gerade dieser Bevölkerungsanteil, der im Gegensatz zu den weißen Buren Träger der Fußball-Begeisterung ist. Südafrika scheint ein Land zu sein, in dem dem Heute mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als sich um das Morgen zu kümmern. So sind auch die großen Probleme des Nahverkehrssystems zu erklären.

Die Wege in dem Land, das dreimal so groß wie Deutschland ist, dürften bei der WM das größte Problem werden. Dass erst nach ersten vernichtenden Tests beim Confederations-Cup Autobahnen geradezu panisch ausgebaut wurden, gehört auch zur Mentalität - und zum Charme des Landes, das nicht perfekt sein will, weil es das nicht kann. So gesehen wird die strahlende Auslosung wenig zu tun haben mit Südafrika, das gar nicht so sehr auf die WM wartet, wie es die Fifa glauben machen will. Vielleicht erreicht man die Seele des Landes eher am Abend auf der Long Street, wo nationale Größen wie FreshleyGround, Cassette und TKZee musikalisch unterhalten. Diese Künstler kennen zu lernen, ist die erste echte Annäherung an die WM in Südafrika.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort