Chor von den Rängen: Das Millerntor ist überall

Euro-Hit: „Seven Nation Army“ von den White Stripes ist der beliebteste Song in den EM-Stadien.

Düsseldorf. Wenn sich die Belgier auch mal wieder nicht für das Turnier qualifiziert haben - Europas Fußball-Volk verdankt ihnen den Hit der Euro 2008. Immer, wenn die Duellanten in Zürich und Wien, in Basel und Salzburg aufs Spielfeld schreiten, wird er gespielt: "Seven Nation Army" von den White Stripes aus Detroit.

2003 waren es Fans des FCBrügge, die aus der Indie-Hymne, die 2004 einen Grammy als bester Rock-Song gewann, einen Stadion-Song machten. Während der Champions-League-Saison 2003/04 spielten Rapid Wien und der AS Rom gegen Brügge - und ihre Fans klauten das Lied für die eigene Kurve. Auch in Englands Stadien ist "Seven Nation Army" in zwischen zu Hause. Der Song besteht nur aus einem einzigen Riff, was seine Kompatibilität auf den Rängen entscheidend erhöht. "Looo-lo-lo-lo-loooo-loooo!": Jeder, der ein EM-Spiel verfolgt hat, kennt die Melodie auswendig.

Der Vorteil: Selbst Angetrunkenen bereitet der gebrummte, gegrölte, gekreischte Kracher keine Probleme. Ein "Lo-lo" bekommt jeder noch heraus. Revolverheld, Enrique Iglesias, Shaggy oder Christina Stürmer laufen eher am Rande. Auch Baschis "Bring en hei", das die Fans vor der EM in einer Abstimmung der Uefa zu ihrem Song erkoren hatten, wird so gut wie nicht gespielt. "Seven Nation Army ist einfach noch viel beliebter", sagt ein Uefa-Sprecher.

Der Text passt nicht so ganz auf das Procedere der Turniers: "Ich werde zurückschlagen, eine Armee aus sieben Nationen kann mich nicht aufhalten." Eigentlich wäre das eher eine Hymne für ein WM-Turnier, denn bei Europas Festspielen gibt es maximal sechs Gegner. Der Begriff "Seven Nation Army" kommt im übrigen daher, dass Frontmann Jack White als Kind das englische Wort für Heilsarmee ("Salvation Army") falsch verstand und diese Fehlkreation in ein Lied umwandeln wollte. Ein bisschen erinnert das an "Der weiße Neger Wumbaba" von Axel Hacke.

Wie auch immer: Die Zeit, in der raue Fußball-Fans bombastische Kitsch-Fetzen wie "We are the Champions" oder "You’ll never walk alone" intonierten, sind bei den großen Turnieren offenkundig vorbei. Bass und Schlagzeug sind gefragt - in Deutschland kannte man das bisher nur vom Millerntor des FC St. Pauli. "Der hat jetzt sein Monopol auf coole Stadionmusik verloren", schreibt Spiegel-Kolumnist Frank Goosen, "auch wenn das Ding demnächst von Burghausen bis Bremen überall gespielt werden und damit wieder extrem uncool sein wird."

Jack White, obwohl ein erklärter Gegner von Kommerz und Mainstream, gefällt es, dass sein Hit die Stadien durchzieht: "Nichts ist schöner, als wenn Leute eine Melodie umarmen und sie ins Pantheon der Volksmusik führen."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort