Wegner mit 70 nicht leise: „Ich bin der Bestimmer“

Hamburg (dpa) - Ulli Wegner wird 70. Andere züchten in dem Alter Blumen, Wegner produziert Boxweltmeister. Und er will auch nichts anderes tun. Zur Party kommen rund 550 Leute.

Geboxt wird im Ring, aber der Star sitzt draußen. Da können Marco Huck, Arthur Abraham, Alexander Powetkin, Yoan Pablo Hernandez - und wie die Protagonisten des Berliner Sauerland-Boxstalls noch so alle heißen - reihenweise WM-Gürtel in den Ring schleppen: Der Boss ist und bleibt Hans-Ulrich Wegner, genannt Ulli, Cheftrainer der „Sauerländer“.

Wenn der weißhaarige Coach mit Basecap seine unverkennbar kratzige Stimme in den Ringpausen ertönen lässt, bekommt der Zuschauer am Fernseher eine größere Show geboten als jener in der Halle. Denn der Hallenbesucher hört nichts von den Sprüchen des kauzigen Trainers. Welch Glück, dass die übertragende ARD die Kampfpausen nicht mit Werbung vollstopft. So ist Wegners schnoddrige Lippe stets präsent.

Am Donnerstag wird der Box-Guru 70. Normalerweise ein Pensionärs-Alter. Ruhestand aber wäre für Wegner der blanke Horror. Auf der Couch sitzen oder Blumen gießen? Das geht gar nicht. „Was soll ich zu Hause? Was soll ich mit Ruhe? Ich hab viel zu tun, da kann ich mir keine Ruhe leisten“, protestiert der gebürtige Stettiner, der im vorpommerschen Penkun und Anklam aufgewachsen ist. Wegner braucht Wirbel um sich herum, er muss junge Menschen antreiben, die Richtung vorgeben, Weltmeister produzieren.

Bei seiner Geburtstagsparty hat er Getümmel zuhauf: 550 Gäste kommen. „Die hat meine Frau eingeladen“, sagt er. „Ich will Danke sagen, möchte mit den Weggefährten gemütlich ein Glas Wein trinken.“ Den üblichen Befehlston, mit dem er die anderen sonst umherscheucht, wird er sich diesmal verkneifen.

Wegner ist Kult. Wenn er seinen Schützling nach der zähen ersten Runde scheinheilig fragt: „Junge, kannst du mich noch hören?“, als hätte sein Boxer eine elfrundige Schlacht absolviert und könnte sich vor der Schlussrunde kaum noch auf den Beinen halten, dann hat er die Schenkelklatscher auf seiner Seite. Japst sein Athlet mit schmerzverzerrtem Gesicht nach Luft, blafft er: „Du bist doch ein Indianer.“ Andere, die einfach nicht machen wollen, was er verlangt, herrscht er an: „Hör auf mit dem Scheiß. Der andere lacht sich halbtot über dich“. Wenn auch das nicht hilft, gibt es eine Breitseite: „Du bist feige!“

Die Athleten haben wenig zu lachen unter der Kommandoherrschaft Wegners. „Wenn's läuft, sagt er 'mein Junge', wenn nicht, geht's zur Sache. Dann holt er den Knüppel raus, dann wird er zum Tier“, berichtete einst Sven Ottke, den Wegner zum Champion machte. Ottke nannte Wegner schlicht Diktator, Widerspruch nicht möglich. Wegner: „Im Leistungssport ist kein Platz für Demokratie. Ich bin der Bestimmer. Wir können diskutieren, okay. Aber das letzte Wort hab' ich. Und am Ende hab' ich recht.“ Manchmal müsse man eben dazwischenhauen, erklärt der John-Wayne-Fan, „danach muss man die Jungs aber wieder streicheln.“ Ottke ist seinem Lehrmeister dankbar. Aus Erkenntlichkeit hat er ihm vor Jahren einen BMW Z3 geschenkt.

41 Jahre ist der gelernte Autoschlosser Wegner bereits im Trainergeschäft. „Mir macht keiner was vor“, versichert der Ringfuchs. Noch einige Jahre soll es so weiterlaufen. „Im Moment fühle ich mich gut in Schuss. Aber man kann die Natur leider nicht aufhalten.“

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