Froch demontiert Abraham - Wegner: „Du bist feige“

Helsinki (dpa) - K.o.-Schläger Arthur Abraham ist entzaubert und hat Trainer Ulli Wegner zur Verzweiflung getrieben. Sang- und klanglos ist der 30-jährige Berliner in Helsinki gegen den Briten Carl Froch untergegangen.

108:120, 108:120, 109:119 - klarer kann man nach Punkten kaum verlieren.

Er schlug selten und traf fast nicht. Der ehemalige IBF-Boxweltmeister im Mittelgewicht hatte im Kampf um den WBC-Gürtel im Supermittelgewicht nicht die Spur einer Chance. „Ich bin nicht klargekommen. Es hat nicht geklappt“, stammelte der konsternierte Abraham, die Schirmmütze tief in die Stirn gezogen, um die Blessuren im Gesicht zu verdunkeln.

Trotz der zweiten Niederlage im dritten Kampf steht Abraham im Halbfinale des sogenannten Super-Six-Turniers der weltbesten Supermittelgewichtler. Dort muss der Vorrunden-Vierte im Frühling nächsten Jahres beim Ersten und Turnierfavoriten Andre Ward aus den USA antreten. Doch nach der klaren Niederlage schien es, als hätte der gebürtige Armenier mit deutschem Pass gar keine Lust mehr dazu. „Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht. Auf jeden Fall: So geht es nicht weiter“, beteuerte der Verlierer.

Das sieht Trainer Ulli Wegner genauso. Als „schändliche Niederlage“ bezeichnete der 68-Jährige das Debakel. „Er sollte sich selbst hinterfragen, warum solche Leistungen zustande kommen“, grollte Wegner. „Ich habe ihn lange genug gewarnt.“ Der als Diktator verschriene Trainer kritisiert unaufhörlich, Abraham mache nicht das, was er fordere. Bei der Pressekonferenz nach dem Kampf gab er der Weltöffentlichkeit Einblick in die mühsame Arbeit mit seinem Schützling. „Ich ziehe den Hut vor Carl Froch, wie ein Boxer die Anweisungen des Trainers umsetzt. Respekt, wie ein Sportler das durchzieht.“ Das hatte gesessen. Der wortkarge Abraham sagte gar nichts mehr.

Wegner meinte einst genervt, Abraham habe 21 Berufe. Bevor er im Boxring dem Trainer zuhört, kümmert er sich telefonisch um den Friseur-Salon seiner Mutter, dann um den Delikatessenhandel seines Vaters und schließlich um das eigene Immobilien- und Flug- Chartergeschäft. Zwischendurch ist er Reiseleiter und muss Flugtickets für Freunde in seiner armenischen Heimat organisieren. Bisweilen opfert er sich auch als Parkettschlürfer für eine Fernseh-Tanzshow.

Abraham ist der Mann für alles. Für Wegner aber nicht der konzentrierte Mann für den Ring. „Er ist sehr schnell hochgekommen“, spielte Wegner auf den kometenhaften Aufstieg des Mannes an, der binnen zweieinhalb Jahren vom Hilfsjob als Sparringspartner Sven Ottkes zum Weltmeistertitel durchstartete. „Vielleicht hat er zu schnell Erfolg gehabt“, mutmaßte der Coach.

Wegner hatte in der Ringecke alles versucht. Vom aufmunternden Zureden, über aufrüttelnde Sticheleien bis zu Beschimpfungen und Beleidigungen spielte der Trainer die gesamte Klaviatur der Motivation. Erst kläffte er: „Was du machen sollst, macht der.“ Dann stauchte er ihn zusammen: „Hör auf mit dem Scheiß. Der lacht sich halbtot über dich“. Schließlich packte er die Keule aus und giftete: „Wovor hast du denn Angst? Du bist feige!“ Der mit überdimensionalem Stolz ausgestattete Abraham hätte spätestens dann im Ring kontern müssen. Aber es kam nichts mehr.

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