Boll auf Gipfel, aber nicht am Ziel: „Umdenken“

Düsseldorf (dpa) - Der 3. Januar 2003 war für das deutsche Tischtennis ein historischer Tag. Timo Boll schaffte es auf die Titelseiten der großen Boulevard-Zeitungen, aber auch prominent in die Tagesschau und die Tagesthemen.

Der damals 21-Jährige wurde als Jahrhundert-Talent gefeiert, weil er als erster Deutscher die Spitze der Weltrangliste erobert hatte. Genau acht Jahre später ist ihm das erneut gelungen. Mit 2726 Punkten verdrängte der Linkshänder den chinesischen Asienmeister Ma Long (2683) von der Spitze.

„Das ist natürlich sehr schön und für mich die Belohnung für ein superkonstantes Jahr“, kommentierte der Ausnahmekönner die Rückkehr auf den Gipfel. „Zudem ist der erste Rang gut für die Setzung bei der Weltmeisterschaft im Mai in Rotterdam. Das ist das große Ziel für dieses Jahr“, fügte der frisch gekürte Pokalsieger von Borussia Düsseldorf hinzu. Trotz aller Erfolge - unter anderem 13 EM-Titel und Erfolge beim Weltcup gegen die Top-Chinesen - haftet dem besten deutschen Spieler ein Makel an: Eine Einzel-Medaille bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften fehlt.

Egal wie gut seine Setzposition war: Zur Krönung der Karriere hat es nie ganz gereicht. Für Rekordnationalspieler Jörg Roßkopf liegt es daran, dass das Verhältnis zwischen, Training, Wettkampf und Regeneration nicht stimmte. Boll spielte alles, nahm jeden Euro mit und war bei den eigentlichen Höhepunkten schlecht vorbereitet, körperlich und mental erschöpft oder sogar verletzt. Als Teamkollege hatte „Rossi“ jahrelang vergeblich auf Boll eingeredet. Seit vorigen Sommer ist er Bundestrainer, und nun weht ein anderer Wind.

„Wir hatten ein sehr offenes Gespräch und ich habe ihm knallhart gesagt: Wenn du diese Medaillen wirklich gewinnen willst, dann musst du komplett umdenken“, verriet Roßkopf. Das verfehlte seine Wirkung nicht: Nach dem Weltcup im vergangenen Oktober in Magdeburg legte Boll eine für ihn völlig untypische, einmonatige Pause ein - und gewann danach den Volkswagen-Cup in Braunschweig. Im Endspiel überrollte er mit 4:1-Sätzen Olympiasieger Ma Lin aus China, den er zuvor in 17 Duellen nur dreimal bezwungen hatte. Der Sieg brachte den gebürtigen Odenwälder auf Platz eins im Weltranking.

„Vielleicht sollte ich öfter einfach mal vier Wochen Pause machen“, sagte Boll scheinbar im Scherz, aber genau das war für Roßkopf der Schlüssel zum Erfolg: „Als Bundestrainer kann ich jetzt mehr auf ihn einwirken: Gut, dass er auch mal hört und Turniere absagt.“ Boll werde auch in diesem Januar kein internationales Turnier spielen, stattdessen trainieren und viel für seinen Körper tun. Sogar ein Verzicht auf die deutschen Meisterschaften im März in Bamberg sei möglich.

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