Biathlon: Der Koma-Läufer wird mit WM-Silber belohnt

Biathlon: Christoph Stephan Zweiter im Einzelrennen – gleich hinter dem großen Ole Einar Björndalen.

Pyeongchang. In was für eine vertrackte Situation ist er da hineingeraten. Dass sich alle um ihn scharen, das mag Christoph Stephan "im Allgemeinen nicht so". Spaß macht dem 23-Jährigen anderes. Spaß macht ihm Biathlon. Dafür quält er sich gerne.

In der letzten Runde im Einzelrennen der Biathlon WM in Pyeongchang über 20 Kilometer hat sich Christoph Stephan Dienstag richtig geschunden. So sehr, "dass ich Menschen in gelben Jacken neben mir rennen sah. Einige sind dann in den Schnee gefallen."

Da hat er geahnt, dass es um was geht. Patenonkel, Trainer und Teambetreuer haben Stephan, der nach der finalen Schießeinlage auf Platz fünf lag, auf Position zwei getrieben - und geschrieen. Darunter auch Techniker Thorsten Thrän. "Denk an die Kleine", hat der ihm zugebrüllt und seine Tochter Mia gemeint. Stephan ist ihr Patenonkel.

Im Ziel realisiert der Mann aus Rudolstadt nicht, dass er nur 14,1 Sekunden Rückstand auf Weltmeister Ole Einar Björndalen aus Norwegen hat und drei Sekunden schneller als der überraschend starke Kroate Jakov Fak angekommen ist. Eine gefühlte Ewigkeit liegt Stephan im Schnee. Erholungsphase für einen Extremerschöpften. Der Thüringer ist eine Art Koma-Läufer. "Genau das ist Christophs Stärke. Er kann wie kaum ein Zweiter auf der Schlussrunde beißen", sagt Mark Kirchner, sein Heimtrainer. Frank Ullrich meint: "Das Silber wiegt wie Gold."

Der Cheftrainer hat ihm die Flausen ausgetrieben und dafür gesorgt, dass er abspeckt. "Uller hat mich geformt", sagt Stephan, "das Gute an ihm ist, dass er wie ich das Perfekte will." Alle erwarten vom Polizeimeister, dass er einen seiner flotten Sprüche klopft. In die Stille sagt er: "Ich widme die Silbermedaille meinem verstorbenen Papa." Sein Kopf senkt sich, er schluckt. 2007, als Stephan dreifacher Juniorenweltmeister geworden ist, war der Vater noch mit dabei. Neun Tattoos zieren den Körper des Sohnes. Vier davon stellen spanische Worte dar. Weil Papa spanisch gesprochen hat.

Auf der Empore steht Ricco Groß und hält beide Daumen nach oben. Der ehemalige Weltmeister huldigt seinem Erben, der nur durch die Krankheit von Andreas Birnbacher ins Team gerückt ist. Stephan war in Korea bisher nicht als glänzender Schütze aufgefallen. Daher hat er sich mit Frank Ullrich am Tag vor dem großen Tag intensiv mit den Winden beschäftigt. Es hat geholfen. Nur ein Fehler im ersten Liegenschießen.

Zwei weniger als Björndalen. Danach lässt er sich vier Runden lang keine Zeiten durchgeben. "Damit ich nicht übertoure", sagt Stephan. Noch hat er nicht begriffen, was er geleistet hat. Eine verrückte Situation. Christoph Stephan mag verrückte Menschen. Und was ist an ihm verrückt? "Ich bin ein Gesamtkunstwerk", sagt er. Da ist er - der Spruch.

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