„Beschämend“: Gladbach gegen die Bayern nur ein Spielball

Beim 100. Duell der Traditionsvereine machen die Heynckes-Bayern kurzen Prozess mit der Fohlen-Elf — weiterer Zündstoff für die Mitgliederversammlung der Borussia am Montag.

 Die Gladbacher nach dem Schlusspfiff.

Die Gladbacher nach dem Schlusspfiff.

Foto: Sven Hoppe

München. Gegen Ende des Spiels ernteten die Borussen vom Niederrhein nur noch Spott und Hohn. „Ihr seid besser als der BVB“ dröhnte es in ihren Ohren. Der pralle rot-weiße Bayern-Chor in der freudetrunkenen Münchener Arena spielte auf das 0:6 der Namenscousine kürzlich an gleicher Stelle an. Kein wirklicher Trost für die Gladbacher, die hilflos versuchten, den Angriffswellen des Rekordmeisters irgendwie Herr zu werden. Denn selbst beim Stand von 5:1 im 100. Bundesliga-Duell zwischen beiden Traditionsvereinen, die einst auf Augenhöhe agierten und in den 1970er Jahren die Liga beherrschten, ließen die Bayern nicht im Geringsten nach und trieben ihren Gegner unentwegt über den Platz.

Längst haben sich die Verhältnisse hüben wie drüben, sportlich und wirtschaftlich, gravierend geändert. Am Samstag war es heftig; insbesondere im zweiten Durchgang entwickelte sich ein ungleiches Spiel der Kräfte, in dem der Fohlen-Elf nur die bescheidene Nebenrolle blieb. „Wir sind den Bayern meistens nur hinterhergelaufen, bis wir schließlich Blasen an den Füßen hatten“, stellte Gladbachs Mittelfeld-Stratege Christoph Kramer mit leicht ironischem Unterton fest. „Wir waren einfach nicht da.“

Man könnte auch zu dem Ergebnis gelangen, dass zwischen dem FC Bayern und Borussia Mönchengladbach diesmal Welten lagen. Die Gladbacher waren bei diesem einseitigen, lustvollen Spektakel nur unbedeutende Randfiguren. Denn nahezu alles drehte sich an diesem Tag um den FC Bayern und dessen Spielfreude, um Jupp Heynckes und seine letzte Mission, um das Pokal-Halbfinale morgen Abend in Leverkusen und die baldige brisante Begegnung mit den Königlichen aus Madrid. Und natürlich um Niko Kovac, der am 1. Juli das Erbe von Jupp Heynckes antreten wird.

Dieter Hecking, Gladbachs Trainer

Und Borussia Mönchengladbach? Knallende Sektkorken, glückliche Borussen-Kicker und sich in den Armen liegende Fans — das war einmal. Europas Spielfelder und Hymnisches sind in weite Ferne gerückt. Wenn nicht noch ein kleines Wunder passiert, gehen die Schützlinge von Dieter Hecking im Kampf um die internationalen Plätze ein weiteres Mal leer aus. Die Gladbacher verharren vier Spieltage vor Schluss im Mittelfeld. Ohne große Aussichten, noch einmal entscheidend voranzukommen. Kramer: „Trotzdem wollen wir die vier letzten Spiele gewinnen.“

Die Frage lautet allerdings: Wie soll das gelingen? Mit Ausnahme der ersten 20 Minuten, als sich die gegenüber der Begegnung gegen Sevilla auf sieben Positionen veränderten Bayern noch finden mussten und erst einmal durch ein Tor von Josip Drmic (9. Minute) in Rückstand gerieten, dominierte der Rekordmeister nach Belieben, und Gladbach war fortan nur noch ein Spielball für den Champions-League-Halbfinalisten. Von der Spielkunst seiner Mannschaft und dem Angriffswirbel war Heynckes hellauf begeistert. „Wir haben nie locker gelassen und teilweise wunderbar kombiniert. Wir waren ehrgeizig und hungrig.“

Im Gegensatz zu seinem tränenreichen „ersten Abschied“ vor fünf Jahren im Borussia-Park tangierte der Bayern-Rückkehrer in seinem wohl endgültig letzten Bundesligaspiel gegen seinen Heimatclub die Situation nur kurz und lapidar. „Fast ein Vierteljahrhundert Gladbach. Das war’s denn. Ich bin froh über die Art und Weise, wie wir hier aufgetreten sind.“

Sein Antipode Dieter Hecking hörte sich all dies mit versteinerter Miene auf der Empore des Presseraums an. Schwer enttäuscht von der Leistung seiner Mannschaft sagte er: „Ich kann nicht akzeptieren, wie wir in der zweiten Halbzeit aufgetreten sind. Das geht gar nicht. Darüber müssen wir reden.“ Auch Sportdirektor Max Eberl zürnte: „Das war beschämend, was wir gespielt haben.“

Geredet wird auch heute im Borussia-Park. Dort geht am Abend die Mitgliederversammlung des Clubs über die Bühne. Zwar kann der Traditionsverein wie in den vergangenen Jahren diesmal keine neuen Rekorde präsentieren, gleichwohl haben die Gladbacher dem Vernehmen nach auch das Geschäftsjahr 2017 wieder mit einem dicken Gewinn im einstelligen Millionenbereich abgeschlossen. Inwieweit das wirtschaftlich erfolgreiche Ergebnis nach einer bisher enttäuschenden Liga-Rückrunde auf die Gemüter wirkt, bleibt abzuwarten.

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