Bayern: Reich, aber unglücklich

Der Audi-Deal macht die Bayern so wohlhabend wie nie. Aber der Verein verliert sich sportlich im Mittelmaß.

München/Düsseldorf. Vielleicht ist alles noch viel schlimmer als in der Saison 2002/2003, als die Bayern das erste und bislang einzige Mal in der Vorrunde einer Champions League gescheitert waren. Damals als Tabellenletzter, mit zwei Punkten nur. Aber was ist diese Katastrophen-Bilanz gegen das, was sich nach der 0:2-Niederlage gegen Girondins Bordeaux über München zusammenbraut.

Unter dem Druck der eigenen Ansprüche, den zu Saisonbeginn investierten 75 Millionen Euro und der Fremd- und Eigenwahrnehmung als unbezwingbares deutsches Schlachtschiff, ist das Gebilde FC Bayern in schnöden 90Minuten Fußball zusammengebrochen. Am Ende stand Kapitän Mark van Bommel allein vor den eigenen Anhängern und winkte mit verschämt-starrem Blick. Aber die meisten wollten den Niederländer gar nicht mehr sehen. Sie waren nicht mehr da. Nur weg. Ein Motto, das für die gesamte FC-Bayern-Familie galt. Auch für die Bosse. Verwundete Einigkeit.

"Das Leben geht weiter", sagte Louis van Gaal am Mittwoch. Etwas Besseres fiel ihm nicht mehr ein, aber der Niederländer hat es auch nicht leicht, weil jedes seiner Worte sorgsam gewogen wird. Hat er schon resigniert? Klingt er noch immer überheblich? Oder: Hat er eine Lösung? Letzteres mag man nicht glauben, zu wenig ist der FC Bayern seit Wochen und Monaten er selbst.

Keine Dominanz, keine Stärken, kein Gefühl. Der "FC Durchschnitt München" titelte der "Spiegel" nach Bordeaux. Das gilt für den europäischen Vergleich allemal und ein bisschen auch - und das ist noch schmerzhafter - für die deutsche Bundesliga, in der die Bayern seit inzwischen 537Tagen auf die Tabellenführung warten.

Van Gaal, der selbst ernannte "Prozess-Trainer", fordert Zeit ein, man sei noch nicht "gut genug", aber Zeit hat der FC Bayern nie. Und gut genug muss er am liebsten schon gestern sein. Das hat auch Vorgänger Jürgen Klinsmann erfahren, dessen Bilanz besser war, als es die von van Gaal bislang ist. Ohne den verletzten Franck Ribéry, mit einem angeschlagenen Arjen Robben könne man ein Team wie den französischen Meister nicht dominieren, sagte van Gaal. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, weil sich die Fehler der Vereinsoberen und die des Trainers fatal vermengen und weit über fehlende Individualisten hinausreichen.

Vier Punkte aus vier Spielen in der Champions League sind auf dem Konto, die Chance auf das Achtelfinale nur theoretisch. Wenn Juventus Turin bei den bereits qualifizierten Franzosen gewönne, ist sie schon dahin. "Es sind noch zwei Spieltage, davor reden wir sicherlich nicht von der Europa League", verdrängte Torwart Jörg Butt den Gedanken an den Uefa-Cup-Nachfolge-Wettbewerb mit Gegnern wie dem lettischen Ventspils oder Sheriff Tiraspol in Moldawien.

Ein schnippischer Wink der Fußball-Geschichte ist die Tatsache, dass am Samstag der FC Schalke 04 in die Allianz-Arena kommt. Mit Felix Magath. Der in München einst geschasste Erfolgstrainer steht nicht im Verdacht, den am Boden liegenden Gegner verschonen zu wollen. Im Gegenteil. Es ist nicht leicht, der FC Bayern zu sein.

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