Parker entthront Spaniens goldene Basketball-Generation

Ljubljana (dpa) - Noch ein letztes Mal wanderte der Blick von Sergio Rodriguez ungläubig zur Anzeigetafel. Der alles überragende Franzose Tony Parker tanzte wenige Meter weiter ausgelassen über das Parkett der Hala Stozice, als die geschlagene Goldene Generation Spaniens in die Umkleide trottete.

Nach dem 72:75 im Verlängerungskrimi des EM-Halbfinals von Ljubljana mussten die Iberer das Ende ihrer Basketball-Vorherrschaft in Europa nach fünf Jahren neidlos anerkennen. „Wir sind am Boden zerstört“, klagte Center Marc Gasol, dessen letzter Verzweiflungsdreier nur am Ring gelandet war. „Aber nun müssen wir wieder den Kopf hochkriegen und um Bronze kämpfen.“

Nach den EM-Titeln 2009 und 2011, zweimal Olympia-Silber und dem WM-Coup von 2006 verpassten die Spanier erst ihr zweites Finale in den vergangenen acht großen Turnieren. „Der Traum schwindet in grausamer Form“, schrieb die Zeitung „Mundo Deportivo“, nachdem die Hoffnung auf den ersten Euro-Dreierschlag seit Jugoslawien (1973-1977) jäh zerstört worden war und es nun gegen Kroatien nur noch um die Trostmedaille geht.

Ohne Marcs Gasols Bruder Pau, NBA-Kollege Serge Ibaka und den langjährigen Anführer Juan Carlos Navarro fehlte dem Team des neuen Trainers Juan Antonio Orenga in der packenden Schlussphase die Abgeklärtheit. Wie bei den drei Turnier-Niederlagen zuvor gaben die Spanier eine hohe Führung leichtfertig aus der Hand, konnten sich in der Verlängerung trotz der Gala von Guard Rodriguez zuvor keine freien Würfe mehr erspielen und ließen die Nervenstärke vermissen.

Nur 103 Sekunden von 45 Minuten lagen die Franzosen vorn - nach einer desaströsen ersten Halbzeit schaffte die Auswahl von Vincent Collet angetrieben von NBA-Superstar Parker „die Rückkehr aus der Hölle“ („L'Équipe“). Der Aufbauspieler der San Antonio Spurs erzielte 32 Punkte in 37 Minuten, traf mehr als die Hälfte seiner Würfe aus dem Feld, versenkte beide Dreipunktversuche, setzte nur einen von neun Freiwürfen daneben und holte sechs Rebounds. „Parker guillotiniert Spanien“, analysierte „Marca“. „Er ist der beste Spieler des Turniers“, lobte Collet und erfand gleich ein neues Wort: „Die Leistung von Tony war einfach parker-mäßig.“

Mit dem dritten Finaleinzug ist die Chance auf den Premieren-Titel für den siebenmaligen EM-Medaillengewinner nun am Sonntag gegen Litauen so groß wie selten zuvor - vor allem da die größte Nemesis bezwungen wurde. Immer wieder stand Spanien wie ein unüberwindbares Hindernis im Weg: In Paris gab es das Aus bei der Heim-EM 1999 im Halbfinale, vor vier Jahren im Viertelfinale. Seit dem Vorrundensieg bei der WM 2010 musste sich Frankreich seinem Angstgegner gleich achtmal nacheinander geschlagen geben. Bei der Euro 2011 setzte es zunächst eine Niederlage mit 27 Punkten Unterschied, auch beim 85:98 im Finale besaßen Parker und Co. nie eine echte Chance.

„Es ist schon ein ganz besonderes Feeling, Spanien zu bezwingen“, frohlockte Flügelspieler Nicolas Batum. „Wir waren das unseren Fans schuldig. Wir wollten nicht eine neue Niederlage hinnehmen. Mit diesem Sieg haben wir nun alle vorherigen Pleiten vergessen gemacht.“ Ihr Topstar warnte aber im Licht der Scheinwerfer vor allzu großer Euphorie. „Das ist der wichtigste Erfolg des französischen Basketballs“, sagte Parker. „Aber er wird nichts wert sein, wenn wir nicht Gold holen.“

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