Fußball 120 Jahre Borussia Mönchengladbach: Stadionsprecher Rolf Göttel blickt zurück

MÖNCHENGLADBACH · Am 1. August wird der Traditionsverein vom Niederrhein 120 Jahre alt — eine Feier gibt es nicht.

 Stadionsprecher Rolf Göttel ist seit gut 60 Jahren Mitglied des Vereins Borussia Mönchengladbach.

Stadionsprecher Rolf Göttel ist seit gut 60 Jahren Mitglied des Vereins Borussia Mönchengladbach.

Foto: imago/Passage/imago sportfotodienst

Vier Jahre nach dem letzten Auftritt in der Champions League mischt Borussia Mönchengladbach auf den großen Bühnen Europas wieder mit. Wegen der Corona-Pandemie verschiebt sich der Start allerdings ein wenig. Am 1. Oktober erfolgt die Auslosung in Athen. 19 Tage später beginnen die Spiele der Gruppenphase mit 32 Teams. „Vier Jahre Abstinenz waren genug. Super, dass sich der Klub zu seinem runden Geburtstag selbst das schönste Geschenk gemacht hat. Ich freue mich riesig“, sagt Rolf Göttel (76), langjähriger Stadionsprecher am Gladbacher Bökelberg und heute Mitglied des Ehrenrats beim heimischen Fußball-Bundesligisten.

Am 1. August wird der Verein sein 120-jähriges Bestehen feiern. Göttel selbst ist seit mehr als 60 Jahren Mitglied im Verein und jemand, der sich auch mit der Historie auseinandersetzt: „Hoch interessant, wie sich der Fußball in all den Jahren entwickelt hat. Da macht Borussia Mönchengladbach keine Ausnahme.“

Ein Blick zurück: Am 1. August 1900 schlossen sich spontan ein paar junge Männer aus der „Sportgemeinde Teutonia“ und der „Marianischen Jünglings-Congregation“ zum Fußball Club, später Verein für Leibesübungen (VfL), Borussia Mönchengladbach 1900 zusammen — manch abfälliger Bemerkung ob des von der britischen Insel importierten Rasenballspiels zum Trotz.

Zwei Stangen und eine Leine markierten das provisorische Tor

Der Rasen ein holpriger Acker, zwei Stangen in die Erde gesteckt mit einer Leine darüber markierten das Tor, das nach den Spielen schlauerweise wieder abgebaut wurde. Denn die Gegner empfanden es als rechtens, mit allen Mitteln gegen eine Verbreitung dieser „neuen Erfindung“ anzukämpfen. „Der Fußball musste immer wieder Hindernisse überwinden und um Verständnis werben“, erzählt Göttel.

Es dauerte in der Tat eine geraume Zeit, bis das „neue Spiel“ auch in Deutschland zum beliebtestes Freizeitvergnügen avancierte. Der Verein Borussia Mönchengladbach hat mittlerweile 93 350 Mitglieder, vor 100 Jahren waren es 1000. Spätestens in den frühen 50er Jahren war sein Triumphzug nicht mehr aufzuhalten.

An der Rasanz der Entwicklung hatte zunehmend auch Borussia Mönchengladbach erheblichen Anteil, und Göttel erlebte in dieser Phase alles hautnah mit. Er war mit Herbert Laumen, dem späteren Torjäger der Gladbacher, befreundet und ging in dieselbe Klasse. „Wir hatten nichts anderes als Fußball im Sinn und rannten immer wieder zum Bökelberg“, erzählt Göttel. Während das Talent von Laumen mit 13, 14 Jahren nicht unerkannt blieb, musste sich Göttel hintenanstellen. „Ich war bei weitem nicht so begnadet, eine Profikarriere konnte ich mir abschminken“, gibt er offen zu.

Stattdessen setzte er auf seine Stimme und machte bei Borussia Mönchengladbach auf andere Art Karriere: Göttel fungierte mehr als 30 Jahre als Stadionsprecher am legendären Bökelberg. Der sonore Klang ist allgegenwärtig, und sein „Tor für die Borussia“ wird wohl ewig als Jingle im Borussia-Park zu vernehmen sein, wenn der Ball mal wieder im „gegnerischen Netz zappelt.“

Göttel, der nebenher auch im Schiedsrichterwesen aktiv war, verpasste so gut wie nie ein Spiel, erlebte den Aufstieg der Gladbacher in die Bundesliga (1965), die Geburtsstunde der Fohlen Elf, alle fünf Meisterschaften und internationalen Titel, und auch auswärts war er fast immer dabei. Die Fohlen offenbarten seiner Zeit einen Spielstil, der seinesgleichen suchte und auch international für Aufmerksamkeit sorgte.

Doch in den folgenden Jahrzehnten wurde es immer schwerer mit der Konkurrenz Schritt zu halten. Insbesondere das lieb gewonnene Bökelberg-Stadion wurde zum Problem. Zu klein, nicht modern genug, zu geringe Einnahmen. Der Verein hielt sich aber dank kluger Finanzpolitik wacker, trotz der beiden Jahre in Liga zwei (1999 – 2001).

Mit dem Umzug in den Borussia-Park 2004 läutete der fünffache Deutsche Meister dann eine neue Ära ein. Auch der zweite Abstieg 2007 konnte ihn nicht wirklich stoppen, und seit der Zittersaison 2010/2011 ist endgültig wieder Kontinuität eingezogen. Inzwischen versprüht der Klub neuen Glanz, nicht nur wegen der zahlreichen Errungenschaften im Borussia-Park (Fohlen-Campus, Jugendleistungszentrum, Museum, Hotel). Der Verein ist wirtschaftlich sehr gut geführt, hat ohne Übertreibung die nächste Stufe erreicht und die Mannschaft international aufgeholt.

Rolf Göttel hat das Mikrofon längst abgegeben (1992), aber die Liebe und Treue zum Verein ist ungebrochen. „Ich habe die schönsten und erfolgreichsten Jahre der Borussia erlebt. Das bleibt unvergessen. Aber auch die Borussia der Neuzeit macht mir viel Freude. Der Klub strahlt Ruhe aus, hat die Corona-Krise mit all ihren Problemen gut gehändelt.“

Der neuen Saison im Jubiläumsjahr — vielleicht sogar wieder mit Zuschauern — sieht er hoffnungsvoll entgegen: „Wir haben eine gute Basis, um weiter oben mitzumischen. Ich bin sehr zuversichtlich. Hauptsache, die Corona-Pandemie macht uns keinen Strich durch die Rechnung.“

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