#Rio2016 Radrennen: Van Vleuten und der Horror-Sturz - „Ich dachte, dass sie tot ist“

Bei ihrem Sturz in Rio zieht sich Annemiek van Vleuten Verletzungen an der Lendenwirbelsäule und eine Gehirnerschütterung zu. Schon einmal hatte sie das Schicksal auf eine Probe gestellt. Und hatte wie nun in Rio wohl Glück im Unglück - zur Erleichterung der Familie.

Annemiek Van Vleuten während des Radrennens bei den olympischen Spielen in Rio 2016.

Annemiek Van Vleuten während des Radrennens bei den olympischen Spielen in Rio 2016.

Foto: Adrian Dennis

Rio de Janeiro (dpa) - Ria van Vleuten durchlitt den furchtbarsten Geburtstag ihres Lebens. Als sie gemeinsam mit der ganzen Familie im Fernsehen mitansehen musste, wie ihre Tochter Annemiek beim olympischen Straßenradrennen brutal auf eine Bordsteinkante krachte und regungslos liegen blieb, befürchtete sie das Schlimmste. „Ich dachte, dass sie tot ist. Sie lag da so komisch. Und wir haben einfach nichts gehört, wie es ihr ging“, sagte Ria van Vleuten am Montag „RTL Nieuws“. „Es war echt eine Grabesstimmung.“

Nach bangen Minuten und „Totenstille“ dann die Erlösung: „Als Anna im Ziel war, haben wir im Fernsehen den Kommentator sagen hören, wie es mit Annemiek aussieht“, berichtete die Mutter. Später habe ihre Tochter dann aus dem Krankenhaus angerufen und gesagt, dass soweit alles okay ist. Wobei alles okay in dem Fall heißt: drei Knochenabsplitterungen an der Lendenwirbelsäule und eine schwere Gehirnerschütterung.

Annemiek van Vleuten selbst gab am späten Sonntagabend (Ortszeit) via Twitter Entwarnung: „Ich bin jetzt im Krankenhaus mit ein paar Verletzungen und Brüchen, aber alles wird gut.“ Bei einer Kernspintomographie wurden am Montag keine weiteren Verletzungen festgestellt, aber die 33-Jährige sollte im Krankenhaus bleiben. „Das Wichtigste, was sie im Moment braucht, ist absolute Ruhe“, sagte der niederländische Teamarzt Cees Rein van den Hoogenband. Van Vleuten selbst trauerte der Chance auf Gold hinterher. „Zu wissen, dass man eine solche Chance nur alle vier Jahre hat, macht es nicht einfach.“

Schon einmal hatte die 33-Jährige das Schicksal herausgefordert. Mit drei geknacksten Rippen, einem gebrochenen Schlüsselbein und Schrammen im Gesicht kam die Niederländerin bei einem Sturz in Livigno damals ins Krankenhaus. Sie war mit einem Auto kollidiert. Auch die Lunge wurde in Mitleidenschaft gezogen. Es bestand das Risiko eines Pneumothorax, noch in Italien wurde sie operiert. Nach ihrem Horrorsturz ließ sie wissen: „Ich hatte viel Glück, dass es nur das war und ich noch am Leben bin.“ Das schier Unglaubliche: Sie sagte dies an einem 7. August - aber schon 2015.

Nun, auf den Tag genau ein Jahr später, lag van Vleuten wieder im Krankenhaus. Wieder an einem 7. August, am Geburtstag ihrer Mutter. Und wohl alle Kolleginnen im Peloton und Radsport-Fans wünschen ihr, dass sie auf die Tour zurückkehren und wie 2015 wieder sagen wird: „Das ist etwas, womit ich umgehen kann und wieder okay werden wird und seine Zeit braucht.“

Zum Zeitpunkt ihres Sturzes in der letzten Kurve der berüchtigten Abfahrt hinab vom Vista-Chinesa-Pass lag die 33-Jährige wenige Kilometer vor dem Ziel an der Copacabana in Führung, der größte Sieg der Karriere greifbar nah. „Nach dem besten Rennen meiner Karriere bin ich aber vor allem super enttäuscht“, twitterte sie später.

Dann der Crash auf einer Abfahrt, die am Vortag auch schon dem auf Goldkurs fahrenden Italiener Vicenzo Nibali zum Verhängnis wurde. „Vielleicht geht man an der Spitze mehr Risiko“, versuchte sich die spätere Olympiasiegerin Anna van der Breggen in einer Erklärung.

Die Niederländerin kam als eine der ersten Fahrerinnen an ihrer gestürzten Teamkollegin vorbei. „Es sah sehr schlecht aus. Ich dachte kurz, dass sie tot ist“, sagte van der Breggen. Dann habe ihr die am Ende zweitplatzierte Schwedin Emma Johansson zugerufen: „„Mach es für Annemiek“, und ich sagte „Yeah, das ist richtig“.“ Die Freude über ihren eigenen Sieg fiel verhalten aus. „Natürlich ist das ein wichtiges Rennen, aber Annemiek ist wichtiger als die Olympischen Spiele“, sagte die 26-Jährige.

Nach ihrem Sturz vor einem Jahr stieg van Vleuten für ihr Schweizer Bigla Pro Cycling Team drei Wochen später bei der Boels Rental Ladies Tour schon wieder aufs Rad und wurde 17. Ob und wann die 33-Jährige diesmal zurückkehrt, ist ungewiss. Mama Ria wird aber sicher darauf pochen, dass sie am 7. August 2017 zu ihrem Geburtstag kommt und nicht in einem Krankenhaus liegt.

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