Olympia und Sicherheit - Chronologie der Eskalation

Sotschi (dpa) - Der Terroranschlag auf die israelische Olympia-Mannschaft hat bei den Sommerspielen 1972 in München den Ausschlag gegeben für eine Eskalation olympischer Sicherheitsmaßnahmen. Die Winterspiele in Sotschi sind dabei vorläufiger Endpunkt und Höhepunkt.

Olympia und Sicherheit - Chronologie der Eskalation
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München 1972: Die Bundesrepublik unterschätzt die Bedrohungslage. Sie will ihr friedliches Gesicht auch dadurch zeigen, dass sie 4000 Sicherheitskräfte in Trainingsanzügen auftreten lässt. Der Überfall eines palästinensischen Terrorkommandos im olympischen Dorf auf das Quartier des israelischen Teams kostet 17 Menschen das Leben.

Montreal 1976: Die neue Devise heißt: Stärke zeigen. Soldaten mit Maschinengewehren bewachen die Wettkampfstätten. Einfliegende Sportler steigen unter Militärbewachung in Busse, die sie erst in einer unterirdischen Garage im Olympischen Dorf verlassen dürfen. 16 999 Soldaten und Polizisten sind im Einsatz. Erstmals helfen Computersysteme bei der Überprüfung von 60 000 Akkreditierungen.

Moskau 1980: Mitten im Kalten Krieg feiert die Sowjetunion die Rote Armee als Garant für den olympischen Frieden. Moskau ist bei den Boykott-Spielen eine belagerte Stadt. Ihr Besuch ist nur mit Sondergenehmigungen möglich.

Los Angeles 1984: Bei den Boykott-Spielen II hält sich die US-Armee im Hintergrund. Die massiv eingesetzte Polizei agiert in Sheriff-Manier.

Seoul 1988: Die erste Phase massivster Einsätze findet, nur 58 Kilometer entfernt von der Todesgrenze zum verfeindeten Nordkorea, ihren Abschluss. Südkoreas Armee wird in den Ausnahmezustand versetzt, dazu zusätzliches US-Militär stationiert. Trupps mit nach Sprengstoff schnüffelnden Schäferhunden gehören zur Karikatur eines Olympia-Festes, dem die Gastgeber den Titel „Harmonie und Freundlichkeit“ gegeben haben.

Barcelona 1992: Ein geheimes Stillhalteabkommen mit der baskischen Terrororganisation ETA und der Fall der Berliner Mauer sorgen, bei aller Wachsamkeit, für Entspannung.

Atlanta 1996: Die Gastgeber wappnen sich zur Gefahrenabwehr erstmals mit modernster IT-Technik und Kamikazefliegern. Im Kommerzgewusel ihrer „Coca-Cola-Spiele“ vernachlässigen sie die Sicherheit am Boden. Ein Rechtsextremist zündet im Olympiapark eine Bombe. Zwei Menschen werden getötet und elf verletzt.

Sydney 2000: Als Konsequenz aus der Entdeckung eines Waffenlagers Monate vor den Spielen kommt zur Palette von Vorsichtsmaßnahmen die Abwehr von biologischen und chemischen Waffen hinzu. Australien reorganisiert seine Sicherheitsdienste und beschließt rigorosere Gesetze zu Einfuhren und Einreisen.

Salt Lake City 2002: Der Terrorakt von New York 2001 durch Al-Kaida wirkt nach München 1972 als zweite Eskalationsstufe. Zum ersten Mal sind Winterspiele besonders gefährdet. Die US-Regierung schafft mit Awacs-Flugzeugen, F-16-Kampfjets und Black-Hawk-Hubschraubern einen Schutzschirm, stellt 15 000 Spezialkräfte der Armee ab und verwandelt das olympische Dorf und die Pressezentren in Festungen.

Athen 2004: Bedroht von vielfältigen terroristischen Gefahren auch aus der griechischen Nachbarschaft können die Spiele nur mit Hilfe der EU und der NATO geschützt werden. Eine Expertengruppe aus sieben Ländern, darunter Deutschland, plant das Sicherheitskonzept mit. Es verschlingt 1,5 Milliarden Dollar.

Peking 2008: Die Staatsmacht rekrutiert neben Militär und Polizei 1,5 Millionen sogenannte Freiwillige: 100 000 „olympische Freiwillige“, 400 000 „Stadt-Freiwillige“, eine Million „Freiwillige der Gesellschaft“. Als die Amtlichkeit aus der fernen Region der uigurischen Minderheit ein Blutbad mit 16 Terroropfern vermeldet, ziehen vor dem olympischen Dorf, dem Pressezentrum und dem IOC-Hotel Panzerfahrzeuge auf.

London 2012: Die britische Hauptstadt macht mobil mit 18 200 Soldaten, Kriegsschiffen und Raketen, die auch auf Dächern rund um den Olympiapark herum positioniert sind. Der Park selbst ist als zentraler Austragungsort geschützt mit einem fünf Meter hohen, elektrisch geladenen, von Kameras bewachten Zaun. Für unsichtbaren Schutz sorgt eine enge Kooperation westlicher Geheimdienste. Tausende von Kameras überwachen Knotenpunkte der Metropole.

Sotschi 2014: Das Motto heißt „totale Kontrolle“. Sie gilt vor allem als Abwehr gegen den islamistischen Terror aus dem Nordkaukasus. Die Staatsmacht setzt 60 000 Polizisten, Geheimdienstler und Soldaten ein, dazu Luftabwehrsysteme, U-Boote, Drohnen und Luftabwehrsysteme.

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