Adeus Rio, See you in Tokio

Rio de Janeiro (dpa) - Ein bisschen vom Pech verfolgt sind diese Olympischen Spiele schon gewesen. Das Ende war fast symptomatisch: Es stürmt, schwere Schauer gehen auf den Fußball-Tempel Maracanã nieder - und doch feiern die Cariocas, die Menschen Rios, wie wohl nur sie es können.

Adeus Rio, See you in Tokio
Foto: dpa

Mit bescheidenen Mitteln bieten sie zur Abschlussfeier eine zauberhafte Show, ein Gegenbild zu den Pannen während der Spiele. Die Protagonisten sind auch die Sportler, sie tanzen gegen den Regen an, die Briten mit leuchtenden Blinkschuhen. Tausende Athleten aus den 207 Teams sind stolz, diese von unbändigem Elektro-Pop und Samba getriebene Party erleben zu dürfen. Die deutschen Athleten um Fahnenträger und Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel mittendrin.

Nein, diese Olympischen Spiele von Rio de Janeiro, die ersten in Südamerika, sind weit davon entfernt, perfekt zu sein. Ging auch gar nicht in einem Land, das nicht nur in einer wirtschaftlichen und politischen, sondern auch in einer tiefen Sinn-Krise steckt.

Spiele in einer Stadt, die ein Sicherheitsproblem hat - Olympia 2016, das war ein Rendezvous mit Rios Realität. „Das sind Spiele mitten in der Wirklichkeit“, wie es IOC-Präsident Thomas Bach formuliert hat.

In das Bild passt: Das Maracanã leuchtet zur Abschlusszeremonie, in der benachbarten Favela herrscht Dunkelheit: Stromausfall. Dass sich der bei der Eröffnung so ausgepfiffene Interimspräsident Michel Temer gar nicht mehr ins Stadion traut, zeigt, dass dringend jemand auf Neustart drücken muss in diesem Land - die ganze politische Klasse ist diskreditiert. Zwar wurde über die Hälfte der 10,5 Milliarden Euro Gesamtkosten privat finanziert, aber es fehlte für eine bessere Organisation das Geld. Ohnehin sind die Kosten eine schwere Hypothek.

Was Geld ausrichten kann, zeigen 11 Minuten und 45 Sekunden, in denen sich die nächsten Gastgeber aus Tokio präsentieren. Weil er fürchtet, zu spät zur Schlussfeier zu kommen, wird aus Japans Premierminister Shinzo Abe kurzerhand Super Mario, der sich durch den Erdball bohrt und - pünktlich - in der Mitte des Maracanã auftaucht - Mario nimmt die Maske ab, und plötzlich steht da Abe, gefeiert wie es sich Temer nur erträumen kann. Was dann folgt, ist ein Bewerbungsschreiben, die perfekten Spiele ausrichten zu wollen, koste es, was es wolle.

Eine High-Tech-Show mit scharfem Tempo, Bilder von geradezu wilder Entschlossenheit, die Besten sein zu wollen: „Arigato Rio - danke Rio“, malen die Scheinwerfer ein bisschen herzlos auf den Stadionboden. „See you in Tokio“. Dagegen wirkt die Abschlussfeier zunächst geradezu niedlich, deren Credo naiv: „Gestern wie heute machen wir Dinge, die von Menschenhand geformt sind, lassen Träume und Talente Wirklichkeit werden.“ Es werden Geschichten erzählt vom Werden der Menschen in den Amerikas, von Höhlenmalerei, dem Reichtum an Natur, und der Kraft, auch gegen Widerstände etwas zu erreichen.

Rio, das viel Kritik, auch unberechtigte, einstecken musste in den 16 olympischen Tagen, wird mit einer großartigen Tanz-Choreographie gewürdigt: Cristo, Zuckerhut, Copacabana - es ist noch einmal vor aller Welt die andere, schöne Realität. Und es ist eine Hommage an die Athleten, ihre Leistungen. Jubel brandet auf, als unvergessliche Momente über die Großbildleinwände flimmern. Ganz besonders laut wird es bei Judo-Olympiasiegerin Rafaela Silva, die aus der Favela Cidade de Deus stammt und sich von ganz unten nach ganz oben gekämpft hat. Ebenso bei Neymars Tor aus dem Fußball-Finale gegen Deutschland, beim neunmaligen Olympiasieger Usain Bolt und beim erfolgreichsten Olympioniken, dem 23-fachen Sieger im Schwimmen, Michael Phelps.

Und berührend ist die letzte olympische Siegerehrung, traditionell für die ersten drei des Marathons. Stolz steht Olympiasieger Eliud Kipchoge aus Kenia auf dem Podest, lauscht ernst der Hymne, ein Moment voller Würde. Das Thema Doping scheint weit weg.

Und dann ist da noch das mit Spannung erwartete Urteil von IOC-Chef Bach. Ein Superlativ ist bei aller Liebe zur brasilianischen Improvisationskunst nicht drin? Bach improvisiert ein bisschen: „Das waren wunderbare Olympische Spiele in der wunderbaren Stadt“. Jubel bei den Bewohnern der selbst ernannten „Cidade Maravilhosa“. Um 22.26 Uhr Ortszeit erlischt das Feuer. Dann haben die Sambaschulen noch einmal ihren großen Auftritt, inklusive riesigem Papageiwagen. Im Innenraum tanzen sie einfach weiter, als das Stadion schon leer ist.

Vielleicht kann Rio de Janeiro Karneval einfach besser als Olympia. Und Super Mario kann vieles. Aber nicht so tanzen, feiern und singen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort