Sonderfall Nordkorea: Diplomatie statt Kritik

Dresden (dpa) - Innere Enttäuschung, äußerliche Gelassenheit: Nordkoreas Fußball-Frauen zwingen die WM-Gastgeber durch ihre Dauerabsagen zur hohen Kunst der Diplomatie.

Sowohl der Deutsche Fußball-Bund (DFB) als auch der Leipziger Bundestagsabgeordnete Thomas Feist (CDU) und die Stadt Dresden wollen das die Öffentlichkeit irritierende Verhalten der Asiaten vor ihrem Auftaktspiel gegen die USA nicht an die große Glocke hängen.

„Nordkorea hat unsere Einladung angenommen und das ist in Ordnung. Damit ist unser Part erfüllt. Alles andere ist Sache der Politik“, sagte am Montag DFB-Sprecher Stephan Brause. Bei einer Reise nach Nordkorea Anfang April hatten DFB und eine Bundestagsdelegation - unter anderem mit Feist - ihren Gastgebern großzügige Angebote einer Zusammenarbeit unterbreitet. Ein Vertrag zwischen DFB und Nordkoreanischem Fußball-Verband sieht neben der Einladung zu einem einwöchigen Deutschland-Aufenthalt unmittelbar vor der WM auch Kooperation auf Trainer- und Schiedsrichterebene vor. Die Politik erhoffte sich eine Annäherung auf humanitärem Gebiet.

Doch genau das erfüllte die Frauen-Nationalmannschaft bislang nicht. Ein Kulturprogramm beim dreitägigen Leipzig-Aufenthalt wurde ebenso ausgeschlagen wie ein Empfang der Stadt Dresden und der Eintrag ins „Goldene Buch“. „Wir haben es bedauert, dass die Spielerinnen aus Nordkorea beim Empfang in Dresden nicht mit dabei waren. Unsere WM-Stimmung ist dadurch aber nicht getrübt“, beteuerte Dresdens Sport-Bürgermeister Winfried Lehmann.

„Der Programmvorschlag war mit der nordkoreanischen Botschaft abgesprochen. Unglücklicherweise hatte die Mannschaft am Tag vor der Anreise in Leipzig ein Testspiel in Italien gegen Kanada verloren“, erklärte Feist. „Daraufhin strich der Trainer das Programm und setzte Training an. Ich empfinde das nicht als Affront gegen uns, es ist eben keine touristische Reise, sondern eine WM.“ Der CDU-Politiker hatte sich intensiv um die Kontakte mit den Asiatinnen gekümmert. Inzwischen ist er schon froh darüber, dass die Kickerinnen in Leipzig nach dem Training hin und wieder Fußballfans ein Lächeln oder sogar ein Autogramm schenkten.

An das Gute des Deutschland-Aufenthaltes der nordkoreanischen Mannschaft glaubt weiterhin Grünen-Chefin Claudia Roth, die damals ebenfalls zur Reise-Delegation gehörte. Illusionen hatte sie sich von vornherein nicht gemacht. „Ich weiß, dass die Mannschaft sehr abgeschottet ist. Aber ich hoffe, dass die Spielerinnen und ihr Umfeld trotzdem erleben werden, wie es in einer Demokratie zugeht. Ich glaube nicht, dass die Mannschaft so nach Nordkorea zurückkehrt, wie sie angereist ist“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa.

Das sei zwar ein winziger Beitrag, aber ein notwendiger. „Ich hoffe, dass es dennoch zu Begegnungen kommt. Denn ein Sich-Einschließen, ein Sich-Verschließen gegenüber der Welt hat keine Zukunft“, betonte Roth.

Das glaubt auch der USA-Botschafter in Deutschland, Philip D. Murphy. In einem Interview mit der Zeitung „taz“ (Dienstag) sagte er: „Wir unterhalten keine diplomatischen Beziehungen zu Nordkorea, aber darüber hinaus hat es keine politische Dimension. Ich denke aber schon, dass man mit Sport Diplomatie betreiben kann, vor allem mit Fußball. Fußball ist ein großer Gleichmacher. Ein großer Vermittler.“

Einer völligen Abschottung hat zumindest der Weltverband FIFA einen Riegel vorgeschoben. Die Teams aus Nordkorea und den USA wohnen in Dresden im selben Hotel, laufen sich damit täglich über den Weg. Und am Dienstag müssen sich die Spielerinnen vor und nach dem Spiel die Hände reichen. Ob es auch zu Begegnungen nach der Partie bei einer Friedensandacht in der Dresdner Frauenkirche und einem Galaabendessen kommt, ist da schon wieder fraglich. Und aus nordkoreanischer Sicht zumindest abhängig vom Ausgang des Spiels.

Bei aller Rivalität wollte Nordkoreas Trainer Kim Kwan Min keine politische Bedeutung in dem Aufeinandertreffen sehen. „Sport ist Sport und Fußball hat nichts mit Politik zu tun“, meinte der Coach während der ersten offiziellen Pressekonferenz und gab sich betont redselig. Auch Kapitän Yo Yun Mi lobte die Gastfreundschaft der Sachsen: „Wir werden immer mit einem freundlichen Hallo gegrüßt“, meinte die wohl beste Spielerin Asiens.

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