Durchatmen nach WM-Start: DFB-Frauen erleichtert

Berlin (dpa) - Riesen-Stimmung, sensationelle TV-Quoten und große Erleichterung bei den deutschen Fußball-Frauen: Die erste Hürde auf dem Weg zum Titel-Hattrick ist gemeistert und das euphorische Publikum ist bereit für eine dreiwöchige Sommer-Party.

„Das war überwältigend. Wir saugen die Stimmung auf. Wenn wir zum dritten Mal Weltmeister werden wollen, brauchen wir die Energie der Fans“, schwärmte Torhüterin Nadine Angerer von der einmaligen Atmosphäre im Berliner Olympiastadion.

Auch Silvia Neid verneigte sich nach dem 2:1 (2:0)-Sieg gegen Kanada vor der europäischen Rekordkulisse von 73 680 Zuschauern, die ihr Team auch in kritischen Situationen nach vorne trieb. „Das war wirklich klasse. So kann es weiter gehen“, sagte die Bundestrainerin. Linda Bresonik war noch am Montag wie elektrisiert von der Stimmung: „Das war eine Reizüberflutung. Gigantisch, bombastisch, einfach zum wohlfühlen“, sagte die Abwehrspielerin.

Neben der Atmosphäre war vor allem die hohe Einschaltquote Gesprächsthema Nummer eins. 15,37 Millionen Zuschauer verfolgten die Partie in der ARD (Marktanteil: 60,1 Prozent) im Schnitt, in der Spitze waren es mehr als 18 Millionen. So viele Fans saßen in Deutschland bei einem Frauenfußball-Spiel noch nie vor den Schirmen. „Und die Quote spiegelt nicht einmal wieder, welche Begeisterung im ganzen Land herrscht“, sagte Teammanagerin Doris Fitschen. Bresonik war „total überrascht“: „Ich dachte, wenn schon 75 000 im Stadion sind, wie können dann noch 18 Millionen vor dem Fernseher hocken.“

Trotz ihrer Ersatzrolle wähnte sich Stürmerin Inka Grings im „Fußball-Paradies“, Kerstin Garefrekes hatte „Gänsehaut pur“, und Steffi Jones sprach vom „traumhaften“ WM-Auftakt. „Ich habe den Moment genossen, bei der WM-Eröffnung neben dem Bundespräsidenten stehen zu dürfen. Ein einmaliges Erlebnis“, sagte die OK-Chefin. „Die Mädchen haben toll gespielt, unser Land wunderbar vertreten„, lobte DFB-Chef Theo Zwanziger.

Mit dem Kopfball-Führungstreffer von Kerstin Garefrekes (10.) sprang der Funke früh auf die Fans über, und nach dem 2:0 durch WM-Debütantin Celia Okoyino da Mbabi (42.) kannte die Begeisterung keine Grenzen. Einen Tag vor ihrem 23. Geburtstag mochte die Offensivspielerin aus Bad Neuenahr von einem vorzeitigen Geschenk aber nichts wissen. „Das macht man ja nicht, das bringt Unglück und das will ich nicht“, sagte Okoyino da Mbabi, die sich tags darauf über Kuchen und Geburtstagständchen freute.

Wie die überragenden Flügelspielerinnen Garefrekes und Melanie Behringer erhielt Okoyino da Mbabi ein Sonderlob von Neid. „Celia hat in der Vorbereitung sehr gute Spiele gemacht hat. Diese Leistungen hat sie im Training bestätigt“, erläuterte die Trainerin, warum sie den Shootingstar statt Grings in der Startelf aufbot. Okoyino da Mbabi rechtfertigte das Vertrauen und stahl auch Deutschlands WM-Rekordspielerin Birgit Prinz die Show, die in ihrem 23. WM-Einsatz nur sporadisch Akzente setzen konnte.

Dass der Sieg nach dem Anschlusstor von Kanadas Starstürmerin Christine Sinclair (82.), die trotz eines zuvor erlittenen Nasenbeinbruchs einen Freistoß direkt in den Winkel zirkelte, noch einmal in Gefahr geriet, fand Prinz nicht so tragisch. „Übermorgen fragt keiner mehr, wie das Spiel war. Mir ist es so lieber, als dumm verloren zu haben“, sagte die 33-Jährige.

Neben der Freude überwog die pure Erleichterung. „Ich bin total happy, weil wir jetzt drei Punkte auf dem Konto haben“, meinte Angerer, die nach 622 WM-Minuten erstmals bezwungen wurde. „Jetzt ist dieser Mythos gefallen. Diese WM spielen wir nicht mehr zu Null“, sagte Bresonik. „Ich bin echt froh, dass wir nicht 4:0 gespielt haben, weil es das Ganze, was heute passiert ist, verfälscht hätte“, bilanzierte Neid, die vor allem im spielerischen Bereich und im Ausnutzen der Torchancen noch großes Steigerungspotenzial sieht.

Bis zum zweiten Spiel am 30. Juni in Frankfurt gegen die Nigerianerinnen, die zum Auftakt 0:1 in Sinsheim gegen Frankreich verloren, speziell daran zu arbeiten, sei kaum möglich, sagte Neid vor dem Flug in die Mainmetropole. „Wir können es ja, das haben wir oft gezeigt. Vielleicht haben wir uns die Tore aufgehoben für die nächsten Spiele“, sagte sie zu den Lattentreffern von Simone Laudehr und Alexandra Popp. „Ich hoffe, das war nur Pech.“

Am meisten ärgerte sich Garefrekes, die zur Spielerin der Partie gekürt wurde, aber nach 66 Minuten auch die Entscheidung vergab. Ähnlich wie Mario Gomez bei der EM 2008 säbelte sie frei stehend den Ball aus sechs Metern über das Tor: „Das war eine Tausendprozentige. Wenn man die vergeigt, ist das kein schönes Gefühl.“

Angerer sprach vom „ersten Meilenstein“ auf dem Weg zum Titel, zur Euphorie sieht die Keeperin aber keinen Anlass. Auch wenn die DFB-Auswahl als Spitzenreiter der Gruppe A gut dasteht. „Durchmarschieren werden wir nicht.“

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