Die Demut eines Weltmeisters

Japan gewinnt den Titel in einem dramatischen Finale, weil es sich auf seinem Weg nicht beirren lässt.

Frankfurt. Yuki Nagasato brauchte jetzt Ruhe. Die japanische Fußballerin vom deutschen Erstligisten Turbine Potsdam sprach gerade mit Journalisten über dieses verrückte Finale, über Japans Sieg, als hinter ihr eine Polonaise durch die Mixed-Zone rauschte. Nagasato mahnte ihre Kolleginnen humorlos, die fröhliche Reihe erstummte sofort und entschuldigte sich für diesen ach so verrückten Auftritt, der das einzige war, was an Japans gerade errungenen Gewinn des WM-Titels erinnerte.

Nebenan referierte Trainer Norio Sasaki über Schwächen in der ersten Halbzeit, und nur manchmal lächelte er, als habe sein Team gerade die WM-Vorrunde überstanden. Sasaki war aber Minuten vorher Weltmeister geworden. Mit Japan. Zum ersten Mal überhaupt.

Als Letzte schritt der Star des Turniers aus den Katakomben in Frankfurt. Homare Sawa, 35 Jahre alt, als einzige der Japanerinnen trägt sie das Haar lang, aber das ist auch schon alles an Außergewöhnlichkeit. Sawa spricht überlegt, sieben Jahre hat sie in der US-Profiliga zugebracht, aber von dieser Glitzerwelt ist nichts an ihr haften geblieben. Vielmehr steht sie für alles, was den neuen Weltmeister auszeichnet: Demut, Fleiß, Glaube an die eigene Stärke, Unerschütterlichkeit. „Sie ist unsere Lokomotive“, sagte Nagasato.

Tugenden, die aus Japan einen unbezwingbaren Gegner gemacht haben. Am Finaltag, beim 5:3 (2:2/1:1/0:0)-Sieg nach Elfmeterschießen, waren sie den USA ziemlich hoffnungslos unterlegen, aber sie waren zäh wie immer. „Ich war nie nervös. Der Druck lag immer auf den USA. Und wir haben an uns geglaubt“, sagte Sawa, die nach dem Spiel, in dem sie mit dem 2:2-Ausgleich in der 117. Minute eine vorletzte Pointe gesetzt hatte, schwer zu schleppen hatte. Fairplay-Trophäe für die Mannschaft, „Goldener Schuh“ als erfolgreichste Torschützin (fünf Treffer), „Goldener Ball“ als beste Spielerin des Turniers — und zum krönenden Abschluss stemmte sie den 1,8 Kilo schweren Gold-Pokal in die Höhe.

„Sie läuft und läuft und läuft“, sagte Trainer Sasaki und verband das mit der Hoffnung, Sawa solle auch noch weiter für „Japan laufen“. Sie wolle auch noch zu Olympia, diese Medaille fehle ihr, ließ die 35-Jährige später dann tatsächlich wissen. Ob der Triumph ihr Leben verändern werde? „Ich werde ihn ignorieren“, sagte Sawa und lächelte.

Natürlich sprach auch sie über das geplagte japanische Volk. Niemand ließ diese schöne Geschichte vom WM-Sieg, der einer von Erdbeben und Atomkatastrophe erschütterten Nation ein neues Gefühl vermitteln könnte, links liegen. Entscheidender für diesen WM-Triumph, den Japan frühestens 2015 anpeilen wollte, schien aber das Gemeinschaftsgefühl, das die Katastrophe den Fußballerinnen vermittelt hatte.

„Viele in Japan haben auf uns geschaut. Wir möchten uns bei den Menschen zu Hause für die große Unterstützung bedanken, sie haben uns Mut und Kraft gegeben“, sagte Trainer Sasaki.

Schon gestern Mittag traten die Spielerinnen die Heimreise an. „Sie müssen schon am Wochenende wieder in der Liga spielen“, erklärte der 53-jährige Trainer. Sie werden es ohne Zweifel ernst nehmen. Nagasato ließ daran keinen Zweifel. Als sie gefragt wurde, wie sie gefeiert habe, sagte sie. „Ich habe drei Stück Champagner getrunken.“

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