Wegen EHEC ist Handel mit Gemüse eingebrochen

Berlin (dpa) - EHEC-Krise und kein Ende: Die Zurückhaltung der Verbraucher treibt viele Gemüsebauern an den Rand des Ruins. Nach Angaben des Deutschen Fruchthandelsverbands ist der Handel mit Salat, Gurken und Tomaten inzwischen fast komplett zusammengebrochen.

Bauernpräsident Gerd Sonnleitner sprach von einer „extrem explosiven und deprimierten Stimmung“. Allein den Schaden der deutschen Gemüsebauern bezifferte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa auf bislang weit über 65 Millionen Euro. Nach Ansicht der betroffenen Bauern reicht die von der EU vorgesehene Entschädigung von 210 Millionen Euro für Europas Landwirte nicht aus.

Die Kommission will Gemüsebauern wegen der EHEC-Krise deutlich besser entschädigen als bisher geplant. Für Umsatzeinbußen sollen die europäischen Landwirte 210 Millionen Euro statt der bisher vorgeschlagenen 150 Millionen Euro erhalten, wie EU-Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos am Mittwoch in Brüssel sagte. Die EU-Staaten müssen dem Vorschlag noch zustimmen.

Die neue Summe könne gerade einmal die Ansprüche Spaniens abdecken sagte Karl Schmitz, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Erzeugergemeinschaften Obst und Gemüse, am Nachmittag in Berlin. Allein die deutschen Bauern seien in der Spitzenzeit ihrer Produktion und verlören täglich vier bis fünf Millionen Euro. „Der wirtschaftliche Schaden ist immens. Es hätte kein schlimmerer Zeitpunkt sein können.“

Schmitz kritisierte den Umgang von Regierungen und Behörden mit der Krise und forderte, die pauschale Warnung vor Salat, Gurken und Tomaten zu differenzieren. Freiwillige Untersuchungen der Erzeugerorganisationen von mehr als 1000 Proben entlang der gesamten Produktions- und Lieferkette seien „EHEC-frei“ gewesen.

Auch der deutsche Lebensmittel-Einzelhandel leidet erheblich unter der EHEC-Seuche: „Wir haben Umsatzeinbrüche von 30 bis 40 Prozent bei Obst und Gemüse“, sagte der Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE), Kai Falk, der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Auch bei anderen Lebensmitteln gingen die Umsätze deutlich zurück. „Der Handel spürt die große Verunsicherung der Kunden.

So geht auch den Lebensmitteldiscountern Lidl und Kaufland: „Selbstverständlich reagieren die Kunden weiterhin sensibel und zeigen aufgrund der Empfehlungen der Behörden eine Kaufzurückhaltung bei Salat, Tomaten und Gurken“, teilte eine KauFland-Sprecherin in Neckarsulm mit. Auch der Discounter Lidl, der wie Kaufland zur Schwarz-Gruppe gehört, beobachtet dies eigenen Angaben zufolge in seinen Filialen.

Nach Angaben der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn ist die Käuferschaft auf dem Gurkenmarkt drastisch zusammengeschrumpft. Anfang vergangener Woche lag sie demnach um mehr als 70 Prozent unter dem Wert von Mitte Mai. Bei Salaten seien 60 Prozent der Kunden abgewandert. Die Käuferschaft bei Rispentomaten ging laut AMI um die Hälfte zurück. Auch Arten, vor deren Verzehr nicht gewarnt wurde, ist nach Einschätzung der Fachleute in deutlich geringerer Menge verkauft worden. Dies betreffe Radieschen, Möhren, Brokkoli und auch Erdbeeren.

In Niedersachsen stehen viele hoch spezialisierte Gemüsebauern wegen der Kaufzurückhaltung infolge der EHEC-Krise nach Worten von Landvolk-Präsident Werner Hilse vor dem Ruin. In dem Bundesland beliefen sich die Schäden für die Bauern auf etwa eine Million Euro pro Tag, insgesamt seien es inzwischen gut 15 Millionen, sagte der Chef des Landesbauernverbandes der dpa in Hannover.

Rund einen Monat nach den ersten EHEC-Fällen in Norddeutschland hoffen die dortigen Gemüsebauern auf baldige Entwarnung. Der Geschäftsführer der Erzeugerorganisation Mecklenburger Ernte, Klaus-Dieter Wilke, sagte, die Betriebe könnten den Absatzeinbruch nur noch kurze Zeit durchstehen. Allein die beiden Anbauer Gemüse-Garten und BioBehr in Gresse (Kreis Ludwigslust) hätten zusammen wöchentlich einen Verlust von einer Million Euro. Der Absatz von Blattsalaten sei auf 20 Prozent zurückgegangen.

Auf der Bodenseeinsel Reichenau, Deutschlands zweitgrößtem Gurken-Produzenten, müssen die Gemüsebauern Absatzrückgänge von 80 Prozent verkraften.

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