Sparen über das Internet: Schmutzwäsche als Gastgeschenk

In einer Online-Börse bietet Lena ihre Waschmaschine für Fremde zum Mitbenutzen an — völlig gratis.

Düsseldorf. Zögernd fährt der Finger über die Klingelschilder mit den fremden Namen an dem unbekannten Eingang. In einer fremden Straße. Auf der Suche nach einer Fremden.

Ganz oben klingeln, hatte Lena* geschrieben. Sie mag Katzen und Ringelsocken, das verraten ihre Fotos bei Facebook. Mehr als ihr Profil in dem sozialen Netzwerk kenne ich nicht. Ich stehe vor ihrer Tür, in den Händen halte ich meine Gastgeschenke. Eine Pappschachtel mit weißer Schokolade und eine Tüte mit meiner schmutzigen Wäsche.

Feucht zusammengeknüllte Handtücher. Versehen mit der abgestandenen Muffigkeit ihrer Wartezeit im Wäschekorb. In weniger als zwei Stunden soll der Inhalt der Plastiktüte wieder nach Frühlingsfrische duften.

Lena bietet ihr spülendes und schleuderndes Schätzchen im Keller zum Mitbenutzen an. Gratis. „Ich wasche nur ein-, zweimal in der Woche. Ansonsten steht sie ja nur rum“, sagt die 20-Jährige.

Und rechnet dann einmal vor: „Hier im Haus wohnen zwölf Parteien. Wahrscheinlich gehört zu jeder Wohnung eine Waschmaschine, die die meiste Zeit eben nicht genutzt wird. Wenn man das auf die ganze Straße hochrechnet, ist das doch der Wahnsinn“, sagt das blonde Mädchen.

Die Entscheidung, ihr Angebot in der Facebook-Gruppe „Share & Care Düsseldorf“, einer Tauschbörse im Internet, zu veröffentlichen, ist keine, die nur auf Sinn oder Unsinn der Anzahl von Waschmaschinen beruht. Dieses Mädchen ist offenbar einfach nur ein netter Mensch.

Die kaufmännische Auszubildende habe mitbekommen, wie viele Leute nach gebrauchten Waschmaschinen suchten. „Meine Maschine war auch vor einiger Zeit kaputtgegangen. Bevor ich eine neue hatte, musste ich immer in den Waschsalon.

Nervig und teuer, lautet ihr Fazit. Das wolle sie anderen in ihrer Nachbarschaft ersparen.

Tauschen und teilen, einst als Marotte von Ökos in Weltverbesserungslaune belächelt, erfreut sich heute großer Beliebtheit. Von Mai bis heute hat sich allein die Mitgliederzahl der Düsseldorfer Gruppe „Share & Care“ mit mehr als 2000 Nutzern verdoppelt.

Die Motivation mitzumachen ist unterschiedlich, sagt Nadine Pratt vom Wuppertaler Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) (siehe Interview): Geselligkeit, Nachhaltigkeit oder sparen wollen. „Es hat ein Umdenken begonnen“, glaubt Daniela Zakel. Sie betreibt mit einem Partner die Facebook-Gruppe, die auch Lena nutzt. „Die Leute wollen nichts mehr wegschmeißen.“ Oder unnötig kaufen. So seien besonders Werkzeuge beliebt. „Warum sollte ich mir auch eine Bohrmaschine kaufen, wenn ich sie nur einmal benutze?“

Tatsächlich getauscht werden in der Gruppe im Schnitt bis zu sieben Sachen täglich. Bis hin zur kompletten Wohnungseinrichtung. Mal gegen Selbstgebackenes, mal gegen Hilfe beim Schleppen oder Streichen. „Sogar Banker von der Kö machen mit“, beobachtet Zakel.

Das Angebot von Lena ist nicht nur eine Transformation von schmutzig in sauber. Mehr noch eine Lektion in Zwischenmenschlichkeit. In der kleinen Einzimmerwohnung nahe der Uni sitzen sich nun zwei Unbekannte an dem dunklen Ikea-Tisch mit dem hübschen bunten Deckchen gegenüber.

Während die Waschmaschine sechs Etagen tiefer unbeirrt schleudert, wird die befremdliche Stille oben mit einem unverfänglichen Plausch über Arbeit und Heimat nett-holpernd durchbrochen. Dann hört die Trommel auf, sich zu drehen. Wir sind ausgewrungen, Lena und ich. Meine Wäsche auch. *Name von der Redaktion geändert

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