Landtagswahl NRW So wollen NRWs Politiker die Flüchtlingsintegration meistern (mit Video)

Für unsere Wahlprüfsteine haben wir jeweils drei Fragen an die Parteien geschickt, für deren Beantwortung sie eine feste Textlänge zur Verfügung haben. Die Antworten enthalten allein die Positionen der Parteien und bilden nicht die Meinung der Redaktion ab.

Ein Integrationskurs für Frauen in Niedersachsen. Archivbild.

Ein Integrationskurs für Frauen in Niedersachsen. Archivbild.

Foto: Fredrik von Erichsen

Frage 1: Mehr soziale Gerechtigkeit soll helfen, die Demokratiekrise zu überwinden. Was muss in NRW dafür getan werden?

Frage 2: Wie wollen Sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranbringen?

Frage 3: Die Integration der Flüchtlinge ist eine Herkulesaufgabe. Welche Schritte sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten?

SPD

ANTWORT 1: Ein selbstbestimmtes Leben darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein. Unser Ziel lautet deshalb weiterhin: kein Kind zurücklassen. Kein Kind soll die Schule ohne einen Abschluss verlassen. Wir lehnen weiterhin jegliche Form von Studiengebühren für die Hochschulen in NRW ab. Was für Studierende gilt, muss auch für Meisterinnen und Meister gelten. Wir wollen, dass die engagierten Menschen, die eine Meisterfortbildung machen, von den Kosten befreit werden. Heute sind in NRW so viele Menschen wie nie zuvor in Arbeit. Die Arbeitslosigkeit ist auf dem niedrigsten Stand seit über 20 Jahren. Wir wissen aber auch, dass gleichzeitig immer noch zu viele in unserem Land keine Beschäftigungsperspektive haben. Für arbeitsmarktferne Langzeitarbeitslose werden wir deshalb den sozialen Arbeitsmarkt ausbauen. Der Bau von Sozialwohnungen boomt. Es werden in NRW so viele preiswerte Wohnungen gebaut wie seit Jahren nicht mehr. Wir setzen auf mehr Steuergerechtigkeit: Megaeinkommen und Megavermögen müssen stärker als bisher zur Finanzierung von Zukunftsinvestitionen aufkommen.

ANTWORT 2: Wir bauen die Kitas aus. Seit 2010 hat sich die Anzahl der Betreuungsplätze für unter Dreijährige auf 180 000 verdoppelt. Wir haben bereits die Gebühren für das letzte Kindergartenjahr gestrichen und werden die Kernzeiten in der Kita (30 Stunden) zukünftig komplett von Gebühren freistellen. Auch die Ausweitung von Öffnungszeiten und der Randzeitenbetreuung unterstützen wir. Bei den offenen Ganztagsschulen unterstreicht der hohe Zuspruch der Eltern Bedarf und Attraktivität. Die Eltern in unserem Land können sich darauf verlassen, dass das Land auch weiterhin jeden zusätzlich beantragten Platz mitfinanzieren wird.

ANTWORT 3: Alle Flüchtlinge, die mittel- und langfristig in unserem Land bleiben, müssen schnell und unkompliziert an Integrationskursen teilnehmen können. Hier werden neben dem Erwerb von Sprachkenntnissen auch die Werte unseres Grundgesetzes vermittelt. Damit legen wir die Grundlage für eine gesellschaftliche Teilhabe. Wir werden unser Bildungssystem auf allen Ebenen weiter für Geflüchtete öffnen.

CDU

ANTWORT 1: In NRW laufen viele Dinge schief. Wir wollen, dass Kinder den sozialen Aufstieg unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern schaffen. Dazu muss der ständige Unterrichtsausfall bekämpft werden. Wir werden den Unterrichtsausfall schulscharf messen, die Vertretungsreserve sichern und mehr Lehrer einstellen. Wir wollen Kinderarmut, die in NRW besonders hoch ist, bekämpfen, indem wir durch gute Wirtschaftspolitik die Arbeitslosigkeit bekämpfen. Und wir wollen, dass die Menschen in unserem Land sich sicher fühlen und nicht vor No-go-Areas fürchten müssen. In unserem Land soll der gleiche Sicherheitsstandard gelten wie in allen anderen Bundesländern. Das ist unser Anspruch. Dafür kämpfen wir.

ANTWORT 2: Vereinbarkeit von Familie und Beruf hängt maßgeblich von einer funktionierenden Infrastruktur für Familien ab. Diese wollen wir verbessern durch flexiblere Öffnungszeiten von Kindertagesstätten. Dafür müssen die Betreuungsangebote in den sogenannten Randzeiten verbessert werden. Wir teilen das Ziel der Beitragsfreiheit. Aus Landesmitteln ist das jedoch erst mittelfristig realisierbar, kurzfristig nur mit Bundesmitteln. Qualität hat Priorität, das heißt kleinere Gruppen, bessere Bezahlung der Erzieher.

ANTWORT 3: Die Integration von Flüchtlingen, die dauerhaft in Deutschland bleiben können, bedeutet für die Kommunen eine besondere Herausforderung, bei der sie auf die Solidarität des Landes angewiesen sind. Wir werden den Kommunen alle notwendigen kommunalen Flüchtlingskosten erstatten. Außerdem stellen wir sicher, dass den Kommunen nur noch Asylbewerber zugewiesen werden, die auch eine tatsächliche Bleibeperspektive haben und einen Schutzanspruch geltend machen können. Menschen ohne Bleibeperspektive sollen künftig nicht mehr auf die Kommunen verteilt werden, damit sich die Städte und Gemeinden auf die Integration derjenigen konzentrieren können, die mittelfristig bei uns bleiben. Die Rückführungen abgelehnter Asybewerber werden künftig zentral vom Land gesteuert und aus den Landeseinrichtungen heraus vollzogen.

Die Grünen

ANTWORT 1: Soziale Gerechtigkeit bedeutet, dass alle Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben. So hat jeder Mensch ein Recht auf gute Gesundheitsversorgung, unabhängig von Alter und Kontostand. Deswegen brauchen wir Menschen, die gut ausgebildet in Gesundheitsberufen arbeiten. Wir schaffen das Schulgeld für Gesundheitsberufe ab, damit wir weiter genügend Physiotherapeutinnen und Logopäden haben. Der Arztbesuch in der Nähe muss selbstverständlich bleiben, etwa durch mobile Praxen. Damit Menschen erst gar nicht krank werden, schützen wir sie vor Passivrauchen und Feinstaub. Für soziale Gerechtigkeit brauchen wir auch gute Arbeit. Deswegen wollen wir 100 000 Jobs in der Umweltwirtschaft schaffen, genau wie mehr Ausbildungsplätze. Auf Landesebene fördern wir außerdem Aktionsprogramme gegen Obdachlosigkeit, Investitionen in Jugendzentren und einen Arbeitsmarkt auch für Menschen mit Behinderung.

ANTWORT 2: Wir wollen jedes Kind unterstützen, egal ob es mit einem oder zwei Elternteilen aufwächst, in einer Patchworkfamilie lebt oder zwei Mütter hat. Deswegen brauchen wir flexible an den Familien orientierte Kita-Zeiten. Jedes Kind soll einen Ganztagsplatz bekommen können. Wir brauchen dafür mehr und bessere Betreuung: kleinere Gruppen, mehr Erzieherinnen und eine bessere Förderung für jedes Kind. Beim Offenen Ganztag an Grundschulen wollen wir 450 Millionen Euro in zusätzliches Personal investieren und flexiblere Angebote am frühen Morgen, nach 16 Uhr und in den Ferien. Für Familien mit einem Jahreseinkommen unter 18 000 Euro soll der Ganztag kostenfrei werden.

ANTWORT 3:
Das Land investiert in Sprachkurse für Erwachsene und Jugendliche sowie zur Arbeitsmarktintegration. Wichtig ist uns, dass Zugewanderte sich einbringen können — durch Arbeit, Ehrenamt oder Sport. Wir müssen dafür sorgen, dass Berufs- und Schulabschlüsse schnell anerkannt und Potenziale gefördert werden. Wir verteidigen das Recht auf Asyl und wollen Menschen schützen, die vor Krieg, Verfolgung und Gewalt flüchten. In den nächsten Jahren geht es darum, das Zusammenleben in Vielfalt immer wieder auszuhandeln.

FDP

ANTWORT 1: Wir wollen den Einzelnen groß machen — und nicht den Staat und die Bürokratie. Der zentrale Schlüssel, dass jemand sein Leben nach seinen Wünschen und Vorstellungen leben kann, ist Bildung. Wir wollen weltbeste Bildung für NRW. Eine weitere zentrale Gerechtigkeitsfrage ist, dass Möglichkeiten zum Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt bestehen. Dazu müssen wir einen flexiblen Arbeitsmarkt erhalten und dürfen nicht durch die verstärkte Regulierung u.a. von Zeitarbeit gerade für geringer qualifizierte Bewerber die Chance auf einen Arbeitsplatz erschweren. Wir wollen eine trittfeste Leiter in den ersten Arbeitsmarkt schaffen — durch eine Reform der ALG II-Zuverdienste, das wäre der zentrale gesetzliche Hebel gegen Langzeitarbeitslosigkeit.

ANTWORT 2: Eine Verbesserung der Betreuungssituation ist nach wie vor am wichtigsten. Wir wollen Kitas stärken und eine Ausweitung der Öffnungszeiten ermöglichen. Zudem wollen wir den Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz für Schüler verbessern. Sofern die gesetzlichen Betreuungsstandards erfüllt werden, sollen auch betriebliche Kindergärten in die öffentliche Förderung aufgenommen werden dürfen. Gerade jungen Eltern wollen wir mehr Flexibilität im Alltag ermöglichen. Das Arbeitszeitgesetz ist dabei für Arbeitnehmer kein Schutz mehr, sondern ein Hemmnis — entscheidend ist nicht die tägliche Höchstarbeitszeit, sondern die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden. Mehr Langzeitkonten können ein weiteres Element für mehr Freiheit und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sein.

ANTWORT 3: Nachhaltige Integration erfolgt in Kindergärten, Schulen und am Arbeitsplatz. Notwendig sind ein Rechtsanspruch auf verpflichtende Sprach- und Integrationskurse, eine Schulpflicht für unter 25-jährige bis zu einem Ausbildungsabschluss, um fehlende Qualifikation nachzuholen, und ein Programm für die Erwerbstätigkeit von Frauen, um tradierte Rollenmuster zu überwinden. NRW soll in den Kommunen Mitarbeiter für Ehrenamtskoordination und „Bündnisse für Integration in Arbeit“ bezahlen, in denen Unternehmen, Kommunen und Flüchtlingshilfe Flüchtlinge zügig in Arbeit bringen.

Die Linke

ANTWORT 1: Während die einen nur Minijobs ergattern können, arbeiten viele Vollzeitbeschäftigte mehr als 40 Stunden in der Woche. Wir müssen Arbeit neu verteilen. Ziel ist eine 30-Stunden-Woche als Normalarbeitszeit. Erste Schritte dahin können sein, sachgrundlose Befristungen, den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit anzugehen. Land und Kommunen müssen bei der Vergabe von Aufträgen Einfluss auf bessere Arbeitsbedingungen nehmen. Die Linke fordert einen NRW-Mindestlohn von zwölf Euro. Die Behinderung von Betriebsratsarbeit soll mit einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft besser verfolgt werden. Um neue Stellen zu schaffen braucht es Investitionen in Schulen und bezahlbaren Wohnraum. Überwiegend von Frauen besetzte Berufe wie die Erziehung und Pflege sind schlecht bezahlt. Wir wollen sie aufwerten durch bessere Arbeitsbedingungen und bessere Bezahlung. Die Linke fordert die Abschaffung von Sanktionen bei Hartz IV, die Anpassung der Kosten der Unterkunft an den tatsächlichen Bedarf und die Umwandlung von Ein-Euro- in sozialversicherungspflichtige Jobs.

ANTWORT 2: Es fehlt an Kita-Plätzen, das Land muss den Ausbau deutlich beschleunigen. Die Abschaffung der Kita-Beiträge ist längst überfällig. Der Wiedereinstieg in den Beruf nach Erziehungspausen gestaltet sich nach wie vor schwierig. Es braucht unter anderem Wiedereinstiegsprogramme in den Beruf für Alleinerziehende und die Möglichkeit von Teilzeitausbildungen mit Kinderbetreuung.

ANTWORT 3: Die schnelle Eingliederung in Arbeit ist ein zentraler Faktor. Gute Arbeit ist Voraussetzung für Integration. Statt Sammelunterkünften sollen Geflüchtete in Wohnungen untergebracht werden. Das ist nicht nur günstiger, sondern fördert gesellschaftliche Kontakte und damit frühzeitige Integration. Das bestehende Integrationskurssystem ist in vielerlei Hinsicht verbesserungsbedürftig. Es müssen mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um eine gute Bezahlung der Lehrkräfte und eine hohe Qualität der Kurse zu ermöglichen. Zudem müssen Geflüchtete mit Duldung, Asylsuchende und Menschen mit unsicherem Status einbezogen werden.

AfD

ANTWORT 1: Die Demokratiekrise ist Resultat einer schleichenden Meinungs- und Gesinnungsdiktatur, die allerdings schon erschreckende Dimensionen angenommen hat. Soziale Gerechtigkeit hingegen ist geboten, um den gesellschaftlichen Frieden aufrechtzuerhalten. Sie beginnt bei Religionsfreiheit im eigentlichen Sinne, nämlich sich von einer Religion nichts diktieren lassen zu müssen, geht über ein Bildungsangebot, das nach Leistungsvermögen und nicht sozialer Herkunft selektiert, und mündet in einem Arbeitsmarkt, der nicht von Bürokratie und sinnlosen Vorschriften, sondern Kreativität und freiem Unternehmertum geprägt wird, das ein Eigeninteresse an auskömmlichen Lohnniveaus entwickelt.

ANTWORT 2: Vor allem dadurch, dass auch Alleinverdiener wieder problemlos ihre Familie ernähren können.

ANTWORT 3: Zunächst müssen alle abgelehnten Asylbewerber konsequent und schnell abgeschoben werden. Anschließend muss im Einzelfall geprüft werden, inwieweit eine Integration sinnvoll und für alle Seiten gewinnbringend ist. Kriegsflüchtlinge sollten ertüchtigt werden, nach Ende des Fluchtgrunds in ihrem Heimatland Wiederaufbau zu leisten. Wirtschaftsflüchtlinge haben kein Bleiberecht. Integration ist Bringschuld der Einwanderer und nicht in erster Linie Aufgabe der aufnehmenden Gesellschaft. Sie kann nur gelingen, wenn sie von allen Beteiligten gewollt und angestrebt wird.

Piraten

ANTWORT 1: In NRW lebt jedes fünfte Kind mit seiner Familie in Armut. Die derzeitige staatliche Förderung ist bürokratisch, ungerecht und in vielen Fällen unzureichend. Auch Kinder, deren Eltern geringes oder kein Einkommen haben, müssen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir wollen, dass eine Kindergrundsicherung für jedes Kind eingeführt wird. NRW muss sich dafür im Bund einsetzen. Die Kindergrundsicherung, die unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Eltern ausgezahlt werden muss, ist das beste Mittel, um Kinderarmut zu bekämpfen. Auf Landesebene ist sicherzustellen, dass genug Geld für Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung steht.

ANTWORT 2: Ein bedingungsloses Grundeinkommen ist Voraussetzung dafür, dass Eltern ohne Geldsorgen Kinder bekommen und aufziehen können. Bei Kindertageseinrichtungen ist uns sehr wichtig, dass neben bloßer Betreuung auch Erziehung und Bildung in angemessener Qualität gewährleistet werden. NRW muss hierfür ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stellen. Betreuungszeiten dürfen sich nicht nur nach den Wünschen der elterlichen Arbeitgeber richten, sondern müssen mit den Bedürfnissen der Kinder vereinbar sein. Wir setzen uns dafür ein, dass Mütter und Väter sich nicht gezwungen sehen, ihre Elternrolle gänzlich der Arbeitnehmerrolle unterzuordnen. BGE, vernünftige Löhne, partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Familienzeit sind Voraussetzung für ein gelingendes Familienleben.

ANTWORT 3: Der wichtigste Schritt ist die schnellstmögliche dezentrale Unterbringung der Menschen, denn nur so kann Integration gelingen. Wir brauchen Deutschkurse für alle von Beginn an. Eine Unterscheidung in Menschen mit guter und schlechter Bleibeperspektive hilft da nicht weiter. Wir dürfen die Aufnahmegesellschaft nicht vergessen. Mittelfristig sollte das Kühn-Memorandum umgesetzt werden, das heißt die tatsächliche Gleichstellung aller Menschen, die zu uns kommen.

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