Satiriker Sonneborn amüsiert sich Was Vertreter deutscher Splitterparteien im EU-Parlament so treiben

Straßburg · Udo Voigt sitzt in der Abgeordnetenbar des Europaparlaments und klagt. „Als Einzelkämpfer kann man hier nicht viel machen, man muss sogar um jeden Redebeitrag kämpfen“, sagt der 67-Jährige, der vor fünf Jahren als einziger Abgeordneter der rechtsextremen NPD in die EU-Volksvertretung gewählt wurde.

 Martin Sonneborn (Die PARTEI), Vorsitzender, startet vor der Volksbühne im Bezirk Mitte mit Pressekonferenz und Fototermin in den EU-Wahlkampf.

Martin Sonneborn (Die PARTEI), Vorsitzender, startet vor der Volksbühne im Bezirk Mitte mit Pressekonferenz und Fototermin in den EU-Wahlkampf.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Weil ihn selbst die rechtspopulistische Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit nicht aufnehmen wollte, ist Voigt fraktionslos. Und so hat er keine Chance, als Berichterstatter ein Thema zu betreuen, und erhält auch nur wenig Redezeit im Plenum. Die nutzt er dann meist, um gegen die „Masseninvasion“ von Migranten und die „Asyllobby“ zu wettern.

Trotz allem ist Voigt mit seinem Wirken im Europaparlament zufrieden. Als Mitglied der Delegation des Parlaments für die Beziehungen zum Iran sei er mehrfach dorthin und in Nachbarländer gereist, etwa in den Libanon und vier Mal nach Syrien, sagt der ehemalige Hauptmann der Luftwaffe. Dort habe er festgestellt, dass es „in weiten Teilen des Landes keinen Fluchtgrund“ gebe.

Er habe Freundschaften mit anderen fraktionslosen Abgeordneten geknüpft, etwa mit Vertretern der griechischen Goldenen Morgenröte und der ungarischen Jobbik-Partei. Auch deren Abgeordnete wurden wegen ihrer rechtsradikalen Haltung in keine Fraktion aufgenommen.

Auch der Satiriker Martin Sonneborn von der Spaßtruppe DIE PARTEI saß fünf Jahre als Fraktionsloser im Europaparlament. Der ehemalige Chefredakteur der Satire-Zeitschrift „Titanic“ tat im Europaparlament, was er immer tut: Er machte sich lustig - etwa über die manchmal skurrile EU-Gesetzgebung.

In einem Video für Spiegel-TV warb er bei zumeist verdutzten Parlamentarier-Kollegen für eine europäische „Humorrichtlinie“, mit einer „Kennzeichnungspflicht für europäische Witzprodukte“.

Manchmal gewährte Sonneborn auch einen Blick hinter die Kulissen der EU-Institutionen. So berichtete er auf Youtube von Protesten der Türkei gegen das von der EU-Kommission geförderte Konzert „Ageth“ der Dresdner Sinfoniker, bei dem es um den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich geht - und von Versuchen der Brüsseler Behörde, den Text abzumildern. Seine Eindrücke fasste der 54-Jährige nun in einem Buch zusammen (“Herr Sonneborn geht nach Brüssel“).

Die Chancen, dass der NPD-Abgeordnete Voigt seine Reisetätigkeit als Europaabgeordneter fortsetzen und der Satiriker Sonneborn weiterhin Skurriles aus dem Europaparlament berichten kann, stehen gut. Denn beide treten bei der anstehenden Europawahl wieder als Spitzenkandidaten ihrer Parteien an. Und weil das Bundesverfassungsgericht 2014 die Drei-Prozent-Hürde abgeschafft hatte, können sie mit einem Wiedereinzug in das Straßburger Parlament rechnen.

Dem Wegfall der Sperrklausel haben noch andere Vertreter von Splitterparteien zu verdanken, dass sie 2014 ins Europaparlament einziehen konnten. Sie kamen aber alle in Fraktionen unter und leisteten teilweise durchaus seriöse Arbeit.

Julia Reda von der Piratenpartei und Klaus Buchner von der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) schlossen sich den Grünen an. Reda machte sich mit ihrem entschiedenen Widerstand gegen die umstrittenen Upload-Filter in der neuen Urheberrechtsrichtlinie einen Namen. Bei der nächsten Wahl will die 32-Jährige nicht mehr antreten. Stattdessen will die Politikwissenschaftlerin nun eine Doktorarbeit über die Reform des EU-Urheberrechts schreiben.

Der promovierte Atomphysiker Buchner verfasste im außenpolitischen Ausschuss Berichte zum Export von Gütern, die sowohl zivil wie auch militärisch genutzt werden können. Ulrike Müller von den Freien Wählern schloss sich den Liberalen an und war vor allem im Landwirtschaftsausschuss aktiv. Als Spitzenkandidaten ihrer Parteien hoffen auch sie auf eine Wiederwahl.

Arne Gericke von der Familienpartei gehörte der euroskeptischen Fraktion der Konservativen und Reformer an und setzte sich im Sozialausschuss für die Rechte der Familien ein. Stefan Eck von der Tierschutzpartei war Mitglied der Linksfraktion - und Berichterstatter für „Mindestvorschriften zum Schutz von Zuchtkaninchen“.

(AFP)
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