Bundestagswahl 2017 : Wahlprognose: Jamaika-Koalition — im Bund wahrscheinlich
Big Data im Dienst der Wahlprognose. Ein Berliner Statistiker hat ein Modell entwickelt.
Berlin. Eigentlich ist die anstehende Bundestagswahl schon gelaufen. Alle Umfragen sehen die CDU klar vorn, die SPD mit Martin Schulz ist ausgebremst, Angela Merkel bleibt Kanzlerin. Ist das wirklich so? Seit Hillary Clinton ein sicherer Sieg bei der Präsidentschaftswahl in den USA vorhergesagt wurde und Donald Trump dann doch an ihr vorbeizog, ist der Glaube an die Wahlprognosen tief erschüttert. Der Sündenfall der Demoskopie war Ansporn für den promovierten Berliner Statistiker Marcus Groß, es besser zu machen. Sein Anspruch: Eine Prognose für den Ausgang der Bundestagswahl im September zu erstellen.
Zu diesem Zweck hat Groß, mit Hilfe des Teams des Berliner INWT Statistics-Unternehmens für Data Science und Predicitve Analytics, bei dem er arbeitet, eine Methode entwickelt, die er selbst als „Poll-Pooling“ (Umfragen-Bündelung) bezeichnet: „Wir kombinieren und gewichten alle verfügbaren Wahlumfragen zu einer Gesamtprognose. Dazu geben wir eine Langfristprognose für die Bundestagswahl selbst ab, indem wir kurzfristige und langfristige Trends optimal kombinieren.“
In drei Punkten unterscheiden sich die Big-Data-Demoskopen von der Konkurrenz: „Wir erstellen eine Prognose für die Bundestagswahl selbst und nicht nur für die Sonntagsfrage.“ Außerdem veröffentliche man Fehlerbereiche, um die Unsicherheit einer Prognose richtig einschätzen zu können. Schließlich schätze man quantitativ ein, wie wahrscheinlich verschiedene Ereignisse — zum Beispiel ob die SPD mehr als 30 Prozent bekommt oder Angela Merkel Kanzlerin bleibt — eintreten. Den Erfolg ihres Vorgehens testen die Berliner, indem sie es retrospektiv an den vergangenen Bundestagswahlen messen. Ergebnis: Man sei etwa zehn bis 20 Prozent besser als herkömmliche Wahlumfragen gewesen. Allerdings: Je näher ein Wahltermin rücke, desto genauer werden alle Umfragen.
Unwägbarkeiten kennen natürlich auch die Statistiker. Aktuelle Themen — vom Dieselskandal bis zur inneren Sicherheit — beeinflussen den Wahlausgang, „insbesondere wenige Wochen vor der Wahl“. Und: Sie lassen sich kaum vorhersagen. Auch der Anteil der Nichtwähler ist bislang nicht explizit in die Berechnungen eingeflossen — wird aber in den Umfragen der Institute (Allensbach, Emnid, Forsa, Forschungsgruppe Wahlen, GMS, Infratest Dimap sowie INSA) berücksichtigt, die Basis der Berliner Prognosen sind.
Seit dem Frühjahr werden die Daten einmal pro Woche aktualisiert, was einerseits zu einem riesigen Datenschatz und größerer Genauigkeit und andererseits zu geringeren Schwankungen als bei klassischen Umfragen geführt hat.