Analyse Forscher: Parteien schwächen sich mit Kritik an AfD selbst

Öffentliche Angriffe gaben den Rechtspopulisten einen Schub. Demoskopen sprechen von einer „Denkzettelwahl“.

 Die AfD ist drittstärkste Kraft im Bundestag. Demoskopen zufolge stimmtenviele Wähler für sie, um den etablierten Parteien eins auszuwischen. Foto: dpa

Die AfD ist drittstärkste Kraft im Bundestag. Demoskopen zufolge stimmtenviele Wähler für sie, um den etablierten Parteien eins auszuwischen. Foto: dpa

Foto: Frank Rumpenhorst

Berlin. Das starke Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl ist nach Einschätzung führender Meinungsforscher durch die Frontalkritik der anderen Parteien sowie der Medien begünstigt worden. „Das hat der Partei noch mal einen Schub gegeben“, sagte Allensbach- Chefin Renate Köcher am Montag bei einer Diskussionsveranstaltung in Berlin.

Nach den Analysen der Demoskopen konnte die AfD vor allem einstige Wähler der großen Parteien für sich gewinnen. Etwa jede fünfte Stimme für die Rechtspopulisten ging zu Lasten der CDU. Immerhin jeder Zehnte, der 2013 sein Kreuz bei der SPD gemacht hatte, votierte diesmal für die AfD.

Die anteilsmäßig größte Gruppe bildeten allerdings vormalige Nichtwähler — 35 Prozent der Stimmen für die Rechten kamen aus ihrem Lager. Aus Sicht von Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen bestand ein Fehler darin, die AfD als Partei in die „Nazi-Ecke“ zu stellen. Auf diese Weise stelle man „jeden, der auf der Wählerebene locker mit der AfD sympathisiert, auch in diese Ecke“. Dabei sei die Partei ein Sammelbecken sehr unterschiedlicher Gruppen, ergänzte Nico Siegel von Infratest dimap. Dazu zählten Euro-Skeptiker genauso wie „frustrierte Konservative“ und Rechtsradikale.

Im Kern sehen die Meinungsforscher allerdings auch eine „rechte Repräsentationslücke“ in der deutschen Parteienlandschaft, die nun die AfD ausfüllt. Dies habe sich vor allem im Zuge des starken Flüchtlingszuzugs im Spätsommer 2015 entwickelt. „Da gab es keine Opposition im Parlament“, sagte Köcher. Alle wären mehr oder minder strikt für den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gewesen. Zwar spielte das Flüchtlingsthema später nur noch eine untergeordnete Rolle. Von den anderen Parteien und den Medien sei es aber kurz vor der Wahl „wieder aktualisiert“ worden — zum Vorteil der AfD.

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Obendrein habe sich die Partei mit „gezielten Provokationen“ wie etwa den verbalen Angriffen auf die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz („in Anatolien entsorgen“) viel „Sendezeit erworben“, sagt Forsa-Bereichsleiter Peter Matuschek. Dass die AfD bald verschwinden könnte, halten die Forscher praktisch für ausgeschlossen. Mit einer Partei am rechten Rand oberhalb der Fünf-Prozent-Marke werde man wohl auf Dauer leben müssen. Letztlich sei das eine „natürlich Konstellation“, meinte Jung. Soll heißen: So, wie sich die SPD schon seit vielen Jahren mit einer Partei links neben ihr konfrontiert sieht, wird auch die Union mit einer rechten Konkurrenz umzugehen haben.

Interessant bleibt gleichwohl, dass die Mehrheit der AfD-Wähler nach Erkenntnissen der Demoskopen nicht aus Überzeugung für diese Partei votiert hat, sondern um den anderen eins auszuwischen. Das gab es bei keiner anderen Partei.

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Zum ersten Mal sei eine Bundestagswahl damit zur „Denkzettelwahl“ geworden, sagte Allensbach-Chefin Köcher. Bislang habe man dieses Phänomen nur von Landtagswahlen gekannt.

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