Kirchentags-Blog: Klitscher vor dem Dom von Dresden

Dresden. Eigentlich gehört es sich ja nicht, zu spät zum Gottesdienst zu kommen. Aber beim Eröffnungsgottesdienst am Elbufer fällt das nicht so auf. Etwas zu spät von unserem Privatquartier in Radebeul angereist, gesellen wir uns nahe der Augustusbrücke ohne unwillige Blicke zu den Zehntausenden, die hier schon seit 17.30 Uhr gesungen und zugehört haben und jetzt der Predigt des sächsischen Landesbischofs Jochen Bohl folgen.

Kirchentage sind auch immer Orte der Selbstvergewisserung. Man badet im wohligen Gefühl, von Gleichgesinnten umgeben zu sein. Letzte Zweifel, ob das auch im überwiegend atheistischen Osten gelingen kann, sind spätestens beim Verlassen des Bahnhofs Neustadt zerstreut: Der Weg zum Elbufer findet sich von selbst, indem man sich im Strom der Kirchentagsgäste mittreiben lässt.

Die Kirchentagszeitung meldet Dauergastzahlen in einer Größenordnung, wie es sie zuletzt 1995 in Hamburg gab. Fast 120.000 sind es inzwischen geworden. Und nach und nach färben sich die Massen in der Dresdner Innenstadt grün - der Farbe des obligatorischen Schals, der bei den Kirchentagen das jeweilige Motto (diesmal ". . . da wird auch dein Herz sein") zum sichtbaren Zeichen der Teilnehmer macht. Die imposante Kulisse, die das Elbufer Dresdens zu bieten hat, wird für die Inszenierung der Eröffnung vollends ausgekostet: Wer zum weißen Kirchentagskreuz oder zu den Riesenbildschirmen schaut, die den Gottesdienst übertragen, hat die Altstadt samt Frauenkirche unweigerlich mit im Blick.

Bohl spricht von der Barmherzigkeit Gottes als dem Schatz, "den ich mir nicht verdienen, sondern nur empfangen kann". Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt schlägt die Brücke von der friedlichen Revolution in der DDR vor 22 Jahren zu den Befreiungsbewegungen in Nordafrika und den arabischen Staaten.

Damit ist der 33. Deutsche Evangelische Kirchentag offiziell eröffnet. Und der Abend freigegeben zur Begegnung. Die Regionen des Gastgeberlandes präsentieren sich in der Innenstadt - von Zwickau bis zum Muldental, vom Vogtland bis zur Oberlausitz. Das Ganze natürlich auch kulinarisch.

Es dauert ein bisschen, bis wir begriffen haben, dass sich hinter sächsischen Klitschern eine regionale Variante rheinischer Reibekuchen verbirgt. Vor dem Dom werden sie wahlweise mit Knoblauchquark oder Apfelmus angeboten. Wir entscheiden uns für die vertraute Apfelmus-Version. Nur um uns ein paar gierige Bisse später schon als unhöfliche Gäste zu fühlen, weil uns der Gedanke beschleicht: Zumindest Klitscher können wir Rheinländer besser.

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