Loveparade: Stadt Duisburg geht juristisch gegen Blogger vor

Duisburg. In seiner persönlichen Erklärung Anfang August hatte Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland noch betont, er und seine Verwaltung würden "mit aller Kraft" an der Aufklärung der Loveparade-Katastrophe mitwirken.

Jetzt ist Sauerland juristisch gegen einen lokalen Blogbetreiber vorgegangen, der sich eben diesem Ziel verschrieben hat: Der Aufklärung der Abläufe vor und während des Unglücks, bei dem am 24. Juli 21 Menschen ums Leben kamen.

Per einstweiliger Verfügung hat die Stadt Duisburg dem Blog Xtranews am Dienstag verbieten lassen, Unterlagen zur Loveparde zu veröffentlichen. Dem Blog waren interne Dokumente zugespielt worden, die nach Ansicht der Blogger zeigen, dass die Stadt eine Mitschuld an der Katastrophe hat.

Insbesondere geht es dabei um die zu geringe Breite der Fluchtwege, die verwaltungsintern für Diskussionen sorgte. Das Duisburger Amt für Baurecht hatte angemahnt, dass die gesetzlich vorgeschriebene Gesamtbreite der Fluchtwege um fast zwei Drittel unterschritten werde. Dennoch erteilte die Stadt drei Tage vor der Katastrophe die Genehmigung für die Veranstaltung. In dem Schreiben der Stadt an die Lopavent GmbH, das der WZ vorliegt, wird ausdrücklich genehmigt:

"1.) Abweichung von § 7(4) SBauVO Teil 1 - Unterschreitung der erf. Fluchtwegausgangsbreiten
2.) Abweichung von § 42 SBauVO - Verzicht auf Feuerwehrpläne"

Den internen Schriftverkehr zu diesem Thema, der der WZ in Teilen vorliegt, hält die Stadt bis heute für die Öffentlichkeit unter Verschluss. Sie hatte lediglich ein Gutachten ins Netz gestellt, das die Stadt weitgehend entlastet. Die teils brisanten Anlagen - insgesamt mehr als 40 Dateien - aber fehlen.

Xtranews bot diese unveröffentlichten Dokumente zum Download an. Dies ist dem Blog jetzt vom Landgericht Köln untersagt worden. "Antragsteller ist die Stadt Duisburg vertreten, durch Adolf Sauerland. Man beruft sich auf § 97 des Urhebergesetzes", schreiben die Blogger.

Die Anlagen enthielten ungeschwärzte, personenbezogene Daten, begründete ein Stadtsprecher das Verbot. "Es war für uns eine Abwägung zwischen Urheberrecht und öffentlicher Aufklärung. Da haben wir uns für die Aufklärung entschieden", sagte "xtranews.de"- Betreiber Thomas Rodenbücher der Nachrichtenagentur dpa. Die Öffentlichkeit habe ein Recht, die Dokumente zu sehen.

Die Gewerkschaft Deutscher Journalisten-Verband (DJV) warf der Stadt eine "restriktive Informationspolitik" vor. "Statt Informationsblockade sollte die Stadt Transparenz herstellen", sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken laut einer Mitteilung in Berlin.

Der Versuch zu verhindern, dass die Loveparade-Protokolle im Netz ihre Kreise ziehen, ist jedenfalls gescheitert. Mehrere Portale, darunter das Blog Netzpolitik.org, haben die Dokumente bereits an anderen Stellen entdeckt und verlinkt.

Am Mittwoch kapitulierte die Stadt: Die unkontrollierbare Verbreitung der Dokumente sei faktisch nicht mehr zu unterbinden, sagte ein Stadtsprecher. Die Stadt wolle gegen die Veröffentlichung keine weiteren juristischen Schritte unternehmen.

Die Erfahrung, dass einmal im Netz veröffentlichte Dokumente nicht mehr aus der Welt zu schaffen sind, hat kürzlich bereits die US-Regierung gemacht, als das Portal Wikileaks geheime Afghanistan-Protokolle veröffentlichte.

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