Loveparade-Prozess: Holpriger Start und vergiftete Stimmung
Am ersten Prozesstag zur Aufarbeitung der Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten dauert es Stunden, bis schließlich die Anklage verlesen werden kann.
Düsseldorf. Es wirkt, als habe die Justiz etwas gutzumachen, so wird hier geklotzt - im Strafprozess um die Verantwortung für die 21 Todesopfer und mehr als 650 Verletzten der Loveparade-Katastrophe vom 24. Juli 2010. Nachdem es siebeneinhalb Jahre dauerte, bis endlich die strafrechtliche Aufarbeitung in einer Hauptverhandlung beginnen kann, wird nun alles dafür getan, diese Aufarbeitung möglichst transparent stattfinden zu lassen.
Vor dem angemieteten Kongresssaal in der Messe Düsseldorf weist ein Schild zu dem ungewöhnlichen Gerichtsort: „Landgericht Duisburg, Außenstelle CCD Ost“, steht da. An Sicherheitsschleusen wie am Flughafen müssen sich Zuhörer und Prozessbeteiligte durchleuchten lassen. Über Rolltreppen geht es dann in den riesigen fensterlosen Saal, wo auf der rechten Seite die zehn Angeklagten mit ihren mehr als 30 Verteidigern sitzen. Ihnen gegenüber, etwa 30 Meter weiter, die Nebenkläger, die bei dem Unglück Angehörige verloren oder selbst verletzt wurden. An diesem ersten Verhandlungstag sind 25 der rund 60 Nebenkläger persönlich dabei. Und ihre Anwälte.
Zwischen Angeklagten und Nebenklägern befinden sich die mehr als 200 Zuschauerplätze, die aber nicht mal zur Hälfte besetzt sind. Die, die gekommen sind, können besser als in jedem anderen Gericht das Geschehen verfolgen. Wann immer ein Anwalt auf den Knopf an seinem Mikro drückt und ihm der Richter das Wort erteilt, zoomen in der Decke installierte Kameras auf den Sprechenden. Auf Videoleinwänden links und rechts der Richterbank können die Zuschauer schon an der Mimik verfolgen, wie die Atmosphäre zunehmend giftiger wird.
Zunächst sorgt der Vorsitzende Richter Mario Plein (46) noch mit seiner lockeren Art und dem immer wieder durchblitzenden Ruhrpottslang (watt und datt) für entspannte Atmosphäre. Er benötigt erst einmal eine knappe Stunde allein dafür, die Anwesenheit der Prozessbeteiligten und ihrer Anwälte festzustellen. Dann geht es um die Frage, ob Menschen unter den Zuhörern seien, die später eventuell als Zeugen in Frage kämen. Was nicht gut wäre, weil sie ihre Aussage an das zuvor Gehörte anpassen könnten. Schließlich melden sich zwei mögliche Zeugen und verlassen freiwillig den Saal.
Sodann geht es in langem Hin und Her darum, ob das Gericht noch vor der Verlesung der Anklage über einen Befangenheitsantrag gegen zwei Ergänzungsschöffen entscheiden muss. Diese beiden Ergänzungsschöffen kämen zum Einsatz, wenn im Laufe des Verfahrens die eigentlichen Schöffen ausfallen sollten. An den beiden hat die Verteidigung auszusetzen, dass deren Töchter auch am 24. Juli 2010 auf der Loveparade waren. Die Bedenken: diese Schöffen könnten voreingenommen sein, weil sie sich ja wohl Gedanken gemacht hätten, dass auch ihre Kinder bei der Katastrophe hätten zu Tode kommen können. Das Gericht verschiebt diesen Punkt auf später.