Schwere Vorwürfe gegen Polizei Anwälte im Loveparade-Prozess: „Hier sitzen nur Sündenböcke“

Düsseldorf (dpa) - „Hier sitzen nur Sündenböcke.“ Der Satz eines Verteidigers hallt am fünften Verhandlungstag im Loveparade-Prozess durch den Düsseldorfer Messesaal.

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Mehr als sieben Jahre nach der Duisburger Katastrophe mit 21 Toten und mehr als 650 Verletzten werde das Verfahren nicht zu der von den Angehörigen und Opfern erhofften Aufklärung führen. „Es sitzen die Falschen auf der Anklagebank“, sagt ein anderer Anwalt. Angeklagt seien nur „Verdächtige aus der zweiten Reihe“.

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Nach einer ermüdenden tagelangen Antragsflut der Verteidiger ging es in dem Prozess am Donnerstag auf einmal sehr schnell. Erstmals nahmen mehrere Verteidiger der insgesamt zehn Angeklagten der Stadt Duisburg und des Veranstalters Lopavent Stellung zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft.

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Ihr Tenor war einhellig: Für das Sicherheitskonzept sei eine Vielzahl von Personen zuständig gewesen. Mögliche Hauptverantwortliche säßen aber gar nicht auf der Anklagebank. Eine Vielzahl von Umständen werde aus der Klageschrift ausgeblendet.

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Vor allem die Polizei werde „aus der Verantwortung herausgehalten“, ihre Rolle bei dem „kommunikativen Desaster“ am Tag der Loveparade verdunkelt. „Die Anklage ist eine Verteidigung der Verantwortlichen der Polizei und des Innenministeriums“, sagte ein Anwalt. „Das ist verstörend und ein Skandal.“ Die Juristen warfen der Staatsanwaltschaft Einseitigkeit vor. „Die Polizei bleibt außen vor“, sagte ein anderer Anwalt. „Das schließt ein gerechtes Urteil aus.“

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Ausgeblendet werde etwa der Aspekt, dass in der „kritischen Phase“ des Techno-Spektakels eine Abstimmung und Kommunikation seitens der Polizei nicht möglich gewesen sei. Der damalige NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) aber habe sich unmittelbar nach der Katastrophe vor die Polizei gestellt und erklärt, sie habe keine Fehler gemacht.

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Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Mario Plein einen Antrag der Verteidiger abgelehnt, 33 Aktenordner des Düsseldorfer Innenministeriums zum Polizeieinsatz bei der Loveparade heranzuziehen.

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Die angeklagten Mitarbeiter des Bauamts der Stadt Duisburg wiesen über ihre Verteidiger alle Vorwürfe gegen sie zurück. Feuerwehr, Polizei, Sanitäter, Verkehrsbetriebe Politik - alle seien wochenlang mit dem Loveparade-Konzept befasst gewesen. Die Bauaufsicht habe lediglich eine Nutzungsänderung des ehemaligen Güterbahnhofgeländes genehmigt. „Baugenehmigungen sind keine Veranstaltungsgenehmigungen.“ Die Bauordnung sei auch nicht für das Sicherheitskonzept verantwortlich, hieß es weiter. Dies sei nicht Aufgabe des Bauamtes.

Die Angeklagten müssen sich vor dem zuständigen Landgericht Duisburg wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in Dutzenden Fällen verantworten. Über ihre Verteidiger ließen sie tiefes Bedauern über das „unermessliche Leid„ der Betroffenen ausdrücken. Die Katastrophe vom 24. Juli 2010 belaste auch die Angeklagten bis heute. Sie seien Angriffen ausgesetzt und würden von Ängsten geplagt.

Auch die Angeklagten wollten eine umfassende Aufklärung, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Auf den Prüfstand gehöre „die Gesamtverantwortung aller Beteiligten“ an der Loveparade.

Nach den Eröffnungs-Erklärungen der Verteidiger zeigte sich der Vorsitzende Richter Mario Plein nachdenklich: „Es ist in der Tat alles nicht so einfach, wie man es vordergründig sieht.“ Viele Fragen müssten in den nächsten Monaten und möglicherweise Jahren beantwortet werden. Ende Juli 2020 verjähren die Vorwürfe. Kommende Woche möchte der Richter erste Zeugen anhören.

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