Preiswürdiges Ziel: Eine Heimat für junge Autisten schaffen

Der Verein „Autismus Wuppertal“ erhielt den zweiten Preis beim Wettbewerb der Jackstädt-Stiftung und der WZ.

Wuppertal. In den 70er Jahren gab es noch keinerlei Förderung für autistische Kinder und Jugendliche, weder Schulen noch Heime. „Die einzige Unterbringungsmöglichkeit gab es am Bodensee“, erzählt Karin Westphal. Deshalb gründete sie 1975 gemeinsam mit 14 weiteren Eltern autistischer Kinder den Verein „Hilfe für das autistische Kind, Regionalverband Wuppertal/Düsseldorf-Bergisches Land“, heute „Autismus Wuppertal“, der den zweiten Bürgertal-Preis erhält.

Das erste Ziel erreichten die Eltern schnell, ihre Kinder durften endlich zur Schule gehen. Daran schloss sich jedoch das zweite Problem an: Wo konnten die Autisten wohnen, wenn sie nicht mehr bei ihren Eltern leben konnten oder wollten? „Mit viel Glück und Hilfe“ konnte der Verein 1983 ein ehemaliges DRK-Schwesternheim in Vohwinkel übernehmen. Wichtig war den Vereinsmitgliedern eine übersichtliche Gliederung des Gebäudes, genügend Freiraum für die Bewohner — vor allem Einzelzimmer, damals eine Neuheit — und stabiles Mobiliar, das Wutanfällen standhielt. „Wir haben einen hohen Betreuungsschlüssel — wir brauchen eine Betreuung rund um die Uhr, weil manche Bewohner auch nachts herumgeistern“, erklärt Karin Westphal.

Viele der Autisten können nicht reden und entwickeln stereotype Verhaltensweisen. Da sie auch nicht viele Menschen um sich herum ertragen, können nur die wenigsten in Werkstätten arbeiten. Deshalb schuf der Verein an der Werderstraße in Vohwinkel 1993 ein Therapiegebäude mit einer Werkstatt, in der die Autisten in Kleingruppen werkeln.

Inzwischen verfügt der Verein über vier Häuser, in denen 45 schwerstbehinderte Autisten eine Heimat haben. „Mein Sohn fühlte sich dort sofort wohl, nachdem er mehrere andere Heime abgelehnt hatte“, freut sich Erika Duda, die ebenfalls dem Vereinsvorstand angehört.

Nächster Schritt war 2010 die Eröffnung einer Autismus Ambulanz an der Friedrich-Engels-Allee in Barmen. Denn der Beratungsbedarf bei betroffenen Eltern, Schulen und Kindergärten ist enorm. „Wir haben mit dieser Resonanz nicht gerechnet“, sagt Karin Westphal. Die Therapeutin Jenny Kapp gibt den Eltern Tipps, wie sie mit ihren autistischen Kindern umgehen können, und erarbeitet mit den Kindern von klein auf Blickkontakt, soziale Verhaltensweisen und das Aushalten von Frust.

„Wenn die Kinder schon klein zu uns kommen, haben sie noch nicht so viele zusätzliche Verhaltensstrategien erlernt, und wir können besser die Beziehungen fördern“, sagt Jenny Kapp. Auch der Verein Autismus Wuppertal erhielt nun im gleichen Gebäude eigene Räume und kann so Besprechungen durchführen.

Doch der Vorstand hat schon wieder neue Pläne. „Wir wollen auf dem Gelände an der Werderstraße ein neues Gebäude bauen für ambulant betreutes Wohnen.“ Dort sollen junge erwachsene Autisten lernen, selbstständig zu leben. „Das Preisgeld von Bürgertal bildet den Grundstock dafür.“ Gleichzeitig geht es den Vereinsmitgliedern auch darum, Verständnis für das Krankheitsbild in der Öffentlichkeit zu schaffen und die Ärzte für das Thema zu sensibilisieren.

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