Neues Wahlrecht für Menschen mit Behinderung

Erstmals dürfen in NRW Menschen mit Betreuung in allen Angelegenheiten bei der Landtagswahl ihre Stimme abgeben. Das wird auch im Tal begrüßt.

Neues Wahlrecht für Menschen mit Behinderung
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Wuppertal. Zum ersten Mal dürfen bei der Landtagswahl am 14. Mai alle Menschen mit Behinderung wählen. Denjenigen, die in allen Angelegenheiten unter Betreuung stehen, war das bislang nicht erlaubt. Die Vereinten Nationen kritisierten Deutschland dafür, nun ist Nordrhein-Westfalen eines der ersten Bundesländer, das das Wahlrecht dahingehend ausweitet. Die Stadt ist auf die Neuerungen vorbereitet.

5680 Menschen in Wuppertal werden aufgrund einer Behinderung betreut, etwa ein Prozent davon in allen Angelegenheiten, schätzt das Presseamt. 60 Menschen könnten im Tal also dieses Jahr zum ersten Mal ihre Stimme bei einer Wahl abgeben. Landesweit sind das 21 000 Menschen. Bernd Engels, der Vorsitzende des Wuppertaler Beirats für Menschen mit Behinderung, ist froh über diese Entwicklung. „Das ist ganz sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Es sei falsch, anzunehmen, dass alle Menschen unter vollständiger Betreuung nicht in der Lage seien, sich eine politische Meinung zu bilden. „Nehmen wir das Beispiel eines Menschen, der an multipler Sklerose erkrankt ist: In fortgeschrittenem Stadium denken diese Menschen mitunter etwas langsamer. Trotzdem können sie sich für eine Partei entscheiden“, erklärt Engels. Er ist auch Mitglied in der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft.

Auch Menschen, die einen Schlaganfall erlitten hätten, stünden oft zunächst unter Betreuung. „Manchmal aber auch zu lange, dann können sie längst schon wieder eine Partei wählen, durften es aber bisher nicht“, sagt Engels.

Landtagsmitglied Josef Neumann (SPD) befürwortet das neue Wahlrecht. „Der unwürdige, jahrzehntelange Ausschluss von Menschen mit Behinderung bei der Ausübung des Wahlrechts hat ein Ende. NRW setzt damit ein deutliches Zeichen gegen Ausgrenzung und für mehr demokratische Teilhabe aller Menschen.“

Nicht nur theoretisch, auch praktisch soll den Menschen mit ihren neu erworbenen Rechten in Wuppertal nichts im Wege stehen. Etwa drei Viertel der Wahllokale sind barrierefrei.

„Rechtlich sieht es so aus: Es ist erlaubt, eine Vertrauensperson mit in die Wahlkabine zu nehmen, die helfen kann, das Kreuzchen zu machen. Das muss nicht unbedingt der Betreuer sein“, erklärt Oliver Pfumfel, der Leiter der Wahlbehörde. Auch die Wahlvorsteher vor Ort wüssten bescheid: Sie dürfen auch gebeten werden, beim Wahlgang zu helfen, und sind der Verschwiegenheit verpflichtet.

Wer einem Wahllokal zugeordnet ist, das nicht barrierefrei ist, kann sich Briefwahlunterlagen besorgen und mit dem enthaltenen Wahlschein zu einem anderen Standort innerhalb des Landtagswahlkreises gehen und dort seine Stimme abgeben. Briefwahl sei natürlich auch eine Option, „aber nicht jeder möchte ja gleich auf den Gang zum Wahllokal verzichten“, so Pfumfel.

Arnold Norkowsky, Mitglied des städtischen Beirats für Menschen mit Behinderung, sieht das neue Wahlrecht auch kritisch. „Grundsätzlich bin ich dafür, dass Menschen, die in allen Angelegenheiten betreut werden, auch wählen dürfen. Jedoch müssen die in der Lage sein, eine eigenständige Entscheidung zu treffen“, sagt Norkowsky. Dazu seien manche Menschen mit Behinderung einfach nicht in der Lage. „Wenn dann der Betreuer hingeht und etwas wählt, weil es gut für den Betroffenen sein könnte, ist das nicht Sinn der Sache. Die Stimmabgabe muss der eigenen Überzeugung entsprechen.“

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