Offen gesagt Ein Brief ans Christkind

Wuppertal. Düsseldorfs in die Jahre gekommene Schülerband „Die Toten Hosen“ hat in einem lichten Moment das Lied von der Zeit geschrieben, in der das Wünschen wieder hilft. Sie legten diese Phase der Menschheitsgeschichte in eine fernere, zumindest nicht genau definierte Zukunft.

Offen gesagt: Ein Brief ans Christkind
Foto: Schwartz, Anna (as)

Dabei hilft Wünschen doch jedes Jahr. Wie sonst könnte der Einzelhandel Milliardenumsätze machen, die ihm im Zeichen der christlichen Nächstenliebe und angesichts glücklicher Kinder auch von Herzen vergönnt sein mögen.

Verglichen mit Kindern neigen Erwachsene eher zu unfröhlicher Nüchternheit. „Wir schenken uns nix“, ist eine viel gehörte Antwort auf die Frage, ob die Präsente für die bessere Hälfte denn schon unter Dach und Fach sind. Meistens heißt es dann: „Wir haben doch schon alles“, was bei intensiverem Nachdenken aber nie stimmt. Oft wird auch das Geldargument angeführt. Dabei müssen schöne Geschenke nicht viel kosten. Im Brief eines Wuppertalers an das Christkind, der unserer Redaktion vorliegt, stehen beispielsweise nur Wünsche, die das Christkind zum Nulltarif erfüllen könnte:

Liebes Christkind,

ich wünsche mir 1. einen Stadtrat, der sich von manchen Dezernenten im Rathaus nicht immer an der Nase herumführen lässt.

Dann hätte ich 2. gern Politiker und Stadtplaner, die Investoren sagen, wie sie bauen dürfen, und nicht jeden Betonklotz von der Stange widerstandslos hinnehmen.

3. wäre ein Baudezernent toll, der nicht wahlweise zu wenig Geld oder zu wenige Leute hat, um Wuppertal in Schuss zu bringen.

Und 4. bräuchte ich einen Fußballverein, der Wuppertal mindestens in der 2. Bundesliga vertritt.

Liebes Christkind, schenke mir 5. auch einen Oberbürgermeister, dem lokales Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze mindestens genauso wichtig sind, wie die Anzahl der Meisterschaften und Pokalsiege von Bayern München.

Und 6. hätte ich gern einen Bürgerbeteiligungsdezernenten, der — ach, nein, liebes Christkind, ich will Dir nicht zu viel zumuten.

Aber 7. wären ein paar Heinzelmännchen schön, die vom Betonklotz am Döppersberg wenigstens eine Etage absägen könnten.

Und 8. freute ich mich über ein Theaterensemble, das in Ruhe arbeiten kann und Wuppertal mutig, kantig in die deutschen Feuilletons bringt.

9. wünsche ich mir jede Woche sechs Richtige für Wuppertal, damit die Straßen der Stadt bald nicht mehr aussehen wie Streuselkuchen.

10. wären noch mehr Wuppertaler schön, die sehen und fühlen, dass sie auf einem Rohdiamanten leben, der an ein paar Stellen noch geschliffen werden muss.

Und 11. wünsche ich mir ein Stadtmarketing, dass den Rohdiamanten trotz bescheidener Budgets über Hückeswagen hinaus bekannt macht.

Liebes Christkind, sollten das zu viele Wünsche sein, streiche einfach welche in Solingen und Remscheid.

Dein Wuppertaler

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