Das Haus der 1000 Zimmer hat tatsächlich rund 600 Räume

Polizeipräsidium: Viele Räume stecken voller Geschichten – und etliche davon handeln vom Grauen.

Wuppertal. In Zeiten von Mega und Giga hat die Zahl 1000 ausgedient, zumindest als Symbolträger für Großmannssucht. Dass man einst anders kalkulierte, belegt allein der Begriff vom "Tausendjährigen Reich". In seine unselige Ära fällt der Bau eines gewaltigen Klotzes, den Wuppertaler das "Haus der 1000 Zimmer" tauften.

Ganz so opulent ist dieses Polizeipräsidium nicht ausgestattet, doch annähernd 600 Räume umfasst es sehr wohl. Jeder Raum erzählt erheblich mehr als eine Geschichte. Viele handeln vom Grauen, wobei die wohl schlimmsten Täter in den Anfangsjahren des Hauses Uniform trugen.

Im August 1939 war das Polizeipräsidium unter dem Architekten Alexander Schäfer nach drei Jahren Bauzeit fertiggestellt worden. Bereits im September etablierte sich dort die bergische Zentrale der NS-Verfolgungsbehörden einschließlich der Gestapo. Sie durfte "Schutzhaft" auf unbegrenzte Zeit verhängen und eine "verschärfte Vernehmung" ausüben. Im Klartext handelte es sich um Folter mit dem Ziel, unerwünschte Personen beseitigen zu können.

"Die Neue Zeit" feiert im Präsidium ein Wandbild des Historienmalers Hans Kohlschein aus den Jahren 1938/1939, das nach der Restaurierung als Dokument für den Geist der NS-Verbrecher steht. "Nix good"und "kaput" lauten Inschriften, die alliierte Besatzungssoldaten in das Bild geritzt haben. So hautnah lässt sich an kaum einer anderen Stelle Wuppertals der Wandel ab 1945 nacherleben.

In den ersten Nachkriegsjahren diente das fast unversehrte Polizeipräsidium als Neues Rathaus und steht damit auch für den Weg aus der Diktatur in die Demokratie. In den 60er Jahren war das monströse Haus gar Schauplatz des Bialystok-Prozesses gegen Naziverbrecher. Aber auch die teils hysterische Jagd auf tatsächliche oder vermeintliche RAF-Anhänger gehört zur Geschichte des Präsidiums.

So scheint es, als hätten die Wuppertaler mit dem "Haus der 1000 Zimmer" instinktiv den adäquaten Namen gefunden. Anlass für die Benennung gab die fensterreiche Fassade, die nach der Umgestaltung aus den 70er Jahren freilich nicht mehr dem abstrakten Klassizismus des Ursprungsgebäudes entspricht. Im Inneren haben sich indessen immer noch bedeutende Architektur- und Kunstelemente erhalten, darunter Mosaikfußböden und Fenster des späteren Beuys-Lehrers Ernst Oberhoff.

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