Wohnen nach Gutsherrenart

Sabine und Martin Hassel haben alle Hände voll zu tun, um die 500 Quadratmeter des vor 100 Jahren neu erbauten Hofs Unterste Pöting in Schuss zu halten. Sie nutzen den Platz unter anderem für Gästezimmer.

Obersprockhövel. 80 Quadratmeter - eine Fläche, die in vielen Fällen einer Vierzimmerwohnung entspricht. Im Haus von Sabine und Martin Hassel nehmen diesen Raum allein die Flure ein. Wer das unglaublich groß findet, dem sei in Relation dazu die gesamte Wohnfläche genannt: Die beträgt im Haus Unterste Pöting nämlich rund 500Quadratmeter.

Eine Fläche, die gepflegt und saubergehalten werden muss und mit der Sabine Hassel mehr als ausgelastet ist. Ein echter Knochenjob. "Wenn man da nicht mit vollem Herzen dabei ist, würde es gar nicht gehen", weiß auch ihr Mann Martin Hassel.

Er ist auf dem Hof aufgewachsen und seit 1989 Eigentümer. Viel Zeit und Geld hat er seither in den Hof gesteckt. "Hier haben über lange Zeit nur Pächter gelebt, mehr als das Nötigste wurde in dieser Zeit nicht gemacht."

Entsprechend viel musste getan werden, als die Hassels die Anlage übernahmen und den landwirtschaftlichen Betrieb um ein Gästehaus erweiterten. Ein ganz neues Kapitel für das Haus, das auf eine über 700 Jahre alte Geschichte zurückblicken kann.

Im Jahr 1319 wurde der Hof Unterste Pöting erstmals urkundlich erwähnt, Knappe Siegbold von Brüggenei verkaufte Unterste Pöting gemeinsam mit den Höfen Scheven und Krefting an das Zisterzienserinnenkloster Gevelsberg. Einige Jahrhunderte und Besitzerwechsel später heiratete Hoferbin Caroline Unterste Pöting den Hiddinghauser Bürgermeistersohn Wilhelm Hiby.

Das war 1835, und mit dieser Eheschließung begannen für den alten Hof aufregende Zeiten. Hiby war unternehmungslustig, geschäftstüchtig und gut verdienend, und die weite Welt hielt Einzug in dem Haus in Obersprockhövel.

Geblieben ist von der Hiby-Zeit einiges und doch nicht viel. 1896 ließ Julie Hiby den Hof nach einem Brand neu aufbauen - in klassizistischem Stil mit strengen geometrischen Formen. Diesen Stil sieht man bis heute, ebenso die bergische Bauweise.

Auch dass Unterste Pöting jahrhundertelang ein Bauernhof war, ist unverkennbar. "Von der Landwirtschaft allein können wir heute nicht mehr leben, daher setzen wir auch auf Gästezimmer", sagt Martin Hassel. Besucher schlafen nun auf dem ehemaligen Kornspeicher.

Und obwohl im Inneren des Hauses nichts an die Familie Hiby erinnert - Mobiliar ist nicht erhalten - ist es Sabine und Martin Hassel gelungen, mit eigenen Stücken den historischen Charakter ihres Hauses zu bewahren. Eine alte Truhe im Flur, ein Nähmaschinentischchen im Frühstücksraum oder ein altes Fenster, das zum Spiegel umfunktioniert wurde.

Wer als Gast den Hof Unterste Pöting betritt, fühlt sich in ein anderes Jahrhundert versetzt. Mit viel Liebe zum Detail haben die Hassels die Räume hergerichtet und bewusst auf den alten Charme des Hauses gesetzt.

Der Clou sind die Lichtschalter im renovierten Flur: Sie sind aus blau-weißem Porzellan und ein echter Hingucker. Uralt sind sie zugegebenermaßen nicht, sondern eher nagelneu, aber "die passen doch super hier rein", sagt Martin Hassels gut gelaunt. Und dass die Kabel oberhalb der Mauern verlaufen, ist ebenso gewollt wie unumgänglich.

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