Es gibt wohl keine „Stunde der Wahrheit“

Kaum neue Erkenntnisse vor Gericht. Am Freitag erfolgt psychologisches Gutachten.

Krefeld. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder des zehnjährigen Mirco aus Grefrath, Olaf H. aus Schwalmtal, neigt sich dem Ende entgegen. Die Suche nach der Wahrheit und dem Motiv scheint ergebnislos abgeschlossen, auch wenn Verteidiger Gerd Meister noch einmal betont, sein Mandant habe ein in seinen Augen „umfassendes Geständnis“ abgelegt. Allerdings schränkt auch er ein: „Es gibt Täter, die vielleicht gar nicht genau wissen, warum sie etwas machen.“

Die Anwältin von Mircos Eltern, Gabriele Reinartz, glaubt nicht mehr daran, dass in den verbleibenden Prozesstagen noch geklärt werden könnte, was Olaf H. zu der Tat veranlasst hat. „Dass es nicht den Hauch eines Motivs“ gebe, sei für ihre Mandanten zusätzlich belastend.

Neben der erneuten Vernehmung zweier Ex-Ehefrauen und eines weiteren Familienmitglieds zu der Frage, ob Olaf H. vielleicht ein falsches Geständnis abgelegt habe und jemanden schützen wolle (siehe Seite 3), bringt der Prozesstag kleine Indizien, die Olaf H. weiter belasten, was den Wahrheitsgehalt seiner Aussagen angeht.

So erklärt seine letzte Ehefrau am Rande, sie sei nie in psychologischer Behandlung oder Beratung gewesen — das hatte H. aber bei der Arbeit als Grund für sein Fehlen genannt.

Unklar bleibt, ob es sich bei der Fehlgeburt, die seine Frau erlitten habe, nicht auch eher um eine fehlgeschlagene künstliche Befruchtung gehandelt hat. Nur noch nachrichtlich nimmt das Gericht zu den Akten, dass Olaf H. sein neues Auto bereits vier Tage nach der Tat bestellt hat, also sicher sein konnte, dass er den belastenden Wagen sehr schnell loswerden würde.

Welche Schlüsse zur Glaubwürdigkeit des Angeklagten die Richter bislang gezogen haben, lässt sich aus den „Anknüpfungstatsachen“ ableiten, die sie dem Psychologen Martin Albrecht für sein Gutachten am Freitag mitgegeben haben. Anknüpfungstatsachen sind — im Gegensatz zu Befundtatsachen, die der Gutachter bei seiner Arbeit mit einem Angeklagten herausfindet — die Dinge, die der Prozess bereits erbracht hat, die er bei seinem Gutachten voraussetzen soll.

Von einer Verärgerung über eine ausgebliebene Erektion als Teil des Motivs geht das Gericht nicht mehr aus. Wohl aber davon, dass es das Telefonat, in dem der Münchener Chef Olaf H. niedergemacht haben soll, nie gegeben hat — und damit auch keinen Grund, stundenlang mit dem Auto durch die Gegend zu fahren. Auch glauben die Richter H. nicht, dass er zum Austreten angehalten und nur zufällig mit Mirco zusammengetroffen sei.

Auf Antrag der Verteidigung gehört auch die berufliche Überlastung des Angeklagten zu den Anknüpfungstatsachen. Auf das Gutachten wird mit Spannung gewartet, denn es könnte Hinweise auf die noch offenen Fragen im Prozess geben. Wird das Gericht eine besondere Schwere der Schuld feststellen und damit eine vorzeitige Entlassung aus der Haft ausschließen können? Und wird eine Sicherungsverwahrung zum Schutz der Bevölkerung als notwendig erachtet werden?

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