Die Tränen der Mutter

Als die Anwältin der Eltern den wahrscheinlichen Ablauf der Tat schildert, beginnt Mircos Mutter leise zu weinen.

Krefeld. Der Tag der Plädoyers, der zehnte Verhandlungstag im Prozess um den Mord am zehnjährigen Mirco aus Grefrath, ist wie erwartet der Tag der Emotionen.

Juristisch versprach der Prozess vom ersten Tag an keine Überraschungen. Olaf H. (45) aus Schwalmtal hat den Mord gestanden, nur zu seinem Motiv geschwiegen. Daran hat sich bis zum Schluss nichts geändert.

„Es ist mir nicht gelungen, das Motiv zu benennen, ich habe noch keine Lösung gefunden. Ich erkenne mich selbst nicht in der Tat“, heißt es in der Schluss-Erklärung, die Verteidiger Gerd Meister für seinen Mandanten vorliest. Olaf H. habe morgens vor dem Prozesstag versucht, die Erklärung selbst zu verlesen, sei aber schon nach einem Satz in Tränen ausgebrochen, wird Meister später erklären. Dabei erwarte er kein Mitleid. Er wisse sehr wohl, dass ihm Verachtung entgegenschlage.

„Ich war immer stolz auf mich. Jetzt ist mein Bild von Olaf H. in 1000 Stücke gebrochen, es gibt nichts mehr, worauf ich stolz sein könnte“, liest Meister weiter vor: „Ich habe nur die Hoffnung, dass die Menschen, denen ich solchen Schmerz zugefügt habe, nicht daran zerbrechen.“

Der Anwalt hatte auch in seinem Plädoyer anerkannt, dass es wohl keine andere Strafe als die lebenslängliche für seinen Mandanten geben könne: „Das Gericht wird einen Menschen wegen Mordes verurteilen müssen, man wird über die besondere Schwere der Schuld nachdenken müssen.“ Aber genau dort, bei der Schwere der Schuld, unterscheidet sich seine Auffassung von der der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage.

„Einen Mord zu begehen, ist das Schlimmste, was in unserer Gesellschaft passieren kann“, sagt Meister. „Aber für die besondere Schwere der Schuld müssten Umstände zusammen kommen, die das Schreckliche noch schrecklicher machen. Da müsste sich ein Mensch zeigen, der noch schlimmer ist als ein Mörder.“ Das sehe er bei seinem Mandanten nicht.

Wohl aber Nebenklage-Anwältin Gabriele Reinartz. Sie spricht mit sanfter, aber eindringlicher Stimme. Zeichnet die letzten Stunden des Zehnjährigen so genau nach, wie es nach den spärlichen Aussagen möglich ist. Sie spricht vom „Jäger auf der Pirsch“, der sein Opfer gesucht und gefunden habe. Als sie dem Gericht vor Augen führt, wie unendlich die halbe Stunde, die der Junge gefangen im Auto des Angeklagten ausharren musste, gewesen sein muss, beginnt Mircos Mutter leise zu weinen.

Bei der Beschreibung, der Junge habe geahnt, dass etwas Schreckliches auf ihn zukommt, habe sich vor Angst in die Hose gemacht, versagt auch der erfahrenen Anwältin die Stimme.

Sie zeigt die nicht mehr fassbare Seite des mutmaßlichen Mörders, der selbst berichtet hat, er habe das tote Kind nicht auf Dornen legen wollen. „Aber er gibt es der Natur preis und den Tieren“, sagt Reinartz.

Das Gericht hat gestern Nachmittag im Anschluss an die Plädoyers bereits beraten. Das Urteil wird jedoch erst am Donnerstag um 13 Uhr verkündet.

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