Bewegender Abschied: „Ruhe in Frieden Mirco“

Beim Gottesdienst in Grefrath für den getöteten Zehnjährigen spielen sich am Donnerstagabend ergreifende Szenen ab.

Grefrath. Mit einem ökumenischen Trauergottesdienst nehmen am Donnerstagabend rund 1200 Menschen Abschied vom zehnjährigen Mirco. Sie strömen in die Laurentius-Kirche und versammeln sich auf dem Marktplatz vor einem 18 Quadratmeter großen Bildschirm.

Die ersten Besucher betreten gegen 17.30 Uhr die Kirche. Links neben dem Altar steht ein großes Plakat mit Mircos Fahndungsfoto. Zwischen Blumen und Kerzen fallen die Kameras und Scheinwerfer ins Auge, die der WDR aufgebaut hat.

Punkt 18 Uhr steigen auf dem Markt hunderte weiße Luftballons mit der Aufschrift „Ruhe in Frieden Mirco“ in der Dämmerung gen Himmel. Die im Internet beheimatete MeinVZ-Gruppe „Eine Kerze für Mirco“ hatte die Aktion vorbereitet. „Wir wollen damit ein Zeichen setzen“, sagt Markus Steinebach. Die Ballons wurden von einem Sponsor finanziert, der anonym bleiben möchte.

Kurz vor 18.30 Uhr, die Orgelmusik in St. Laurentius hat bereits eingesetzt, kommen immer noch Menschen aus allen Himmelsrichtungen in den Ortskern. Viele haben Kerzen dabei, zünden sie an, halten sie in der Hand.

In der Kirche haben in der ersten Reihe unterdessen Bürgermeister Manfred Lommetz, Landrat Peter Ottmann, Schwalmtals Bürgermeister Reinhold Schulz und NRW-Ministerin Angelica Schwall-Düren Platz genommen. Als letztes setzen sich Mircos Mitschüler und sein Klassenlehrer rechts vom Altar in die Bänke.

In der Kirche stehen die Menschen dicht gedrängt. Es wird nur geflüstert. Umso auffälliger wirkt das Klicken eines Fotoapparates, als Pfarrer Johannes Quadflieg vor den Altar tritt. Er erinnert an den Gottesdienst am 9. September, kurz nachdem Mirco verschwunden war: „Es ist eingetreten, was wir damals alle nicht gehofft haben.“

„Mirco wurde aus der Mitte unserer Dorfgemeinschaft gerissen“, sagt Bürgermeister Manfred Lommetz. „Die Wahrheit wird helfen, die Angelegenheit zu verarbeiten.“ Lommetz wird zum Schluss eine eindringliche Bitte los: „Stören Sie nicht die Beisetzung von Mirco, die im engsten Familienkreis stattfinden wird.“

Auf dem Markt herrscht eine andächtige Stille. Als die Tochter des Krefelder Pfarrers Norbert Selent „Du hast uns nicht verwöhnt“ singt, spielen sich draußen ergreifende Szenen ab. Hemmungslos beginnt jemand zu schluchzen, verbirgt das Gesicht in der Schulter der Begleiterin. Schnell nähern sich Notfallseelsorger, halten aber respektvoll Abstand. Denn wirklich helfen können sie nicht. Ein Kamera-Mann kann sich nur einige Minuten zurückhalten, dann greift er zu seinem Arbeitsgerät. Wenigstens verzichtet er darauf, den Scheinwerfer einzuschalten.

Präses Siewert beginnt in der Kirche mit seiner Predigt: „Es macht Angst und löst Fragen aus, wenn so etwas passiert.“ Als er beginnt, einen Brief von Mircos Eltern vorzulesen, hört man von den Bänken das Rascheln von Taschentüchern. Die Familie habe am Vortag mit ihm zusammen gesessen und sich an Mirco erinnert. Sie beschreiben ihn als fröhlichen Menschen. „Mirco hatte immer ein Lächeln auf den Lippen. Er war unser Clown und unsere Sportskanone. Alles, was er in die Hand bekommen habe, nutzte er als Schlagzeug. Er hatte Rhythmus im Blut.“

Ein Junge in Mircos Alter hält es an dieser Stelle nicht mehr aus. Er wird mit Tränen in den Augen von seiner Mutter nach draußen geführt. Präses Siewert überreicht der Klasse ein Plakat, das Mircos Geschwister zur Erinnerung gemalt haben. Zwei Mitschüler nehmen es in Begleitung des Klassenlehrers entgegen. Dabei starren sie ins Leere. Als sie sich wieder setzen, sieht man ihnen an, wie sehr sie davon mitgenommen sind.

Zum Schluss des einstündigen Gottesdienstes ergreift der Organisator, der evangelische Pfarrer Hartmut Boecker, das Wort: „Einen gesegneten Heimweg Ihnen allen.“ Die Menschen verlassen die Kirche, binnen Minuten leert sich der Marktplatz.

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