Anraths Mitte hat viel Potenzial

Die Nachbarschaft von Geschäften und Gastronomie ist ein Qualitätsmerkmal.

Anrath. Freitagvormittag, kurz vor 12 Uhr. Friedhelm Commans hat wenig Zeit. Der Anrather Herrenausstatter bedient. Der sportliche Herr im blauen Blouson, der die Hemden und Pullover in den Regalen und auf den Tischen mustert, ist aus Krefeld. Ein Stammkunde. Er fährt die Kilometer bis nach Anrath, weil er, wie er sagt, den Service und die Qualität der Ware hier schätzt: „Solche Spezialgeschäfte sind bei uns in Krefeld rar.“

Commans hört’s erfreut: „Ich bin seit 35 Jahren hier am Markt, habe mein Geschäft von ursprünglich 20 auf mittlerweile 200 Quadratmeter vergrößert. Ich habe Ware, die man nicht im Kaufhaus findet.“ 75 Prozent seiner Kunden kommen von außerhalb, sagt Commans.

Zu den anderen 25 Prozent zählt Dieter Lambertz, Vizebürgermeister der Stadt Willich. „Ich kaufe so gut wie alles hier im Ort ein.“ Er schwärmt für den „tollen Anrather Ortskern“, der, wenn der Umbau erst einmal realisiert sei, „zu einem der schönsten in der Umgebung wird“ — vier Straßen, die zur Kirche führen, die schmucke Alleeschule mit dem Platz davor, das Rathaus mit Pfefferturm. All das und mehr könne sich sehen, aber auch noch weiter verschönern lassen, sagen Commans und Lambertz. Einige „unschöne Fleckchen müssen wir wegbekommen“, sagt der Vize-Bürgermeister. Er denkt an Fassadenanstrich und an die Nutzung brachliegender Flächen, ungenutzter Gebäude und Geschäfte.

Auch für Christel Holter, Koordinatorin für Willichs Ortskerne bei der Stadtverwaltung, ist „die anstehende Umgestaltung des Anrather Ortskerns ein Schlüsselprojekt. Es wird für eine höhere Aufenthaltsqualität sorgen“. Für Klaus Riedel, ihren Kollegen, der die Einzelhändler betreut, besitzt der historisch gewachsene Bereich rund um St. Johannes „sehr gute Anlagen, um richtig schön gestaltet zu werden“. Indes könne die Stadt die Grundstücke nicht alle selbst kaufen. Hier seien auch Privateigentümer gefordert.

Commans schaut quer über den Kirchplatz: „Uns fehlt der frühere Penny-Markt im Ortskern“, sagt er. Es sei wichtig, einen Rewe oder Edeka mit 700, 800 Quadratmetern Fläche anzusiedeln. „Besonders für die ältere Bevölkerung.“

Auf der Wunschliste des Einzelhändlers, der Vorsitzender des Werberings ist, steht „ein schönes Haushaltswarengeschäft und eine gute Parfümerie.“ Lambertz stimmt zu: „Solche Magnete brauchen wir im Ortskern. Die Leute sollen verweilen können.“

Parkplätze sollen auf keinen Fall wegfallen, das war immer die Sorge der Innenstadt-Händler. Die aktuellen Umbaupläne für den Anrather Kern zeigten, so Commans, „dass die Politik hier Wort gehalten hat“.

Impulse braucht der Wochenmarkt in Anrath. „Der lässt zu wünschen übrig“, sagt Friedhelm Commans. Eine Belebung durch mehr Kunden spürt Commans am Markttag nicht. „Der muss besser werden und braucht vielleicht einen attraktiveren Standort.“ Wo? Das sei nach Anraths Umgestaltung zu überlegen.

„Für die jungen Leute ist nichts da“, wirft Commans noch ein. Sein Junior Sebastian nickt: „Ein Kindermodengeschäft fehlt. Aber für Ketten wie Family ist Anrath eben zu klein.“

Die Durststrecke des Stadtkern-Umbaus wollen die Händler durchstehen, drei Jahre in verschiedenen Bauabschnitten. Die Vorfreude auf die Zeit nach Baulärm und -staub ist spürbar. Das (neue) Selbstwertgefühl in Anrath auch. Lambertz: „Die 1000-Jahr-Feier hat das Zusammengehörigkeitsgefühl entfacht, dieses Jubiläumsjahr hat Anrath selbstbewusster gemacht.“

Ab Frühjahr 2012 wird gebaut. Es werde aber auch Zeit, sagt eine Kundin aus dem Ort. Für Anrath müsse auch etwas getan werden. „Die Infrastruktur muss gestärkt werden — für die nachfolgende Generation. Sonst sind die jungen Leute weg.“

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