WZ-Serie: Wo Hausmüll zu Wärme wird

Ein wahres Höllenfeuer bewachen Andreas Wendland und seine Mitarbeiter nachts in der Müllverbrennung in Uerdingen.

Krefeld. Kölnisch Wasser duftet anders. Wenn Andreas Wendland und sein Team die Nachtschicht in der Müllverbrennung der Entsorgungsgesellschaft Krefeld antreten, ist der Gestank von brennendem Müll ein ständiger Begleiter. "Doch irgendwann hat sich die Nase daran gewohnt", meint der 44-jährige Schichtleiter.

Mit ihrer Großbaustelle und dem gut 30 Meter in die Höhe reichenden Müllbunker ragt die Anlage der Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage (MKVA) beeindruckend in den Sommernachtshimmel.

Von den Vorgängen in ihrem Inneren ist draußen nicht das Geringste zu erahnen. Doch schon der Blick auf eine unscheinbare blaue Tür, durch die die Leitwarte zu erreichen ist, zeigt: Bei der Müllverbrennung ticken die Uhren anders. Denn über den Türrahmen ist die Höhe in Metern über dem Erdboden angegeben. Ebenso zeigt die Knopfanzeige in der Fahrstuhlkabine keine Stockwerkangabe an, sondern ebenfalls die Meterzahl. "Das macht Sinn, denn Stockwerke im eigentlichen Sinne gibt es bei uns nicht", brüllt Wendland gegen den Lärm im benachbarten Verbrennungsraum an. Also liegt die Leitwarte auf 8,60Meter.

Stille herrscht in ihrem Inneren. Auf gigantischen Monitoren können Marius Reszko, Thomas Engelhardt und Wilfried Feuser jeden einzelnen Verbrennungsabschnitt und das Reinwaschen der Rauchgase im Auge behalten. Für Entspannung wäre in den Nachstunden gesorgt: Die drei blicken vie Bildschirm auf gleich vier Kaminfeuer. Doch im Vergleich zu einem entspannten Abend am offenen Kamin ist das, was sie dort sehen, ein wahres Höllenfeuer. Denn in den vier Linien verbrennt Gewerbe- und Kommunalmüll aus Neuss, Krefeld und Viersen bei bis zu 1100Grad. "Und ob es draußen Tag oder nacht ist, merken wir hier drin nicht", witzelt einer aus dem Trio. Die Männer lachen, die Stimmung ist gut. Nein, Nein, ob man auf Nachtschicht gehe oder am Tag arbeite, mache tatsächlich kaum einen Unterschied, beteuert Wendland. "Die Schichten ändern sich ja ständig." Und für die Überwindung des toten Punktes mitten in der Nacht habe jeder Kollege ein Geheimrezept.

An der Wand neben der Brennkammer legt er einen schweren Schieber zur Seite: Hinter Panzerglas lodern vielfarbige Flammen von scheinbar unendlichen Ausmaßen.

Die beste Aussicht auf die Müllberge hat Willi Gilsbach. Er sitzt in einer Kranzentrale, die mit ihren Panoramafenstern beinahe schon wie eine Penthousewohnung wirkt. Doch wo die Sessel mit breiten Armlehnen samt Bedienungselementen tatsächlich an eine Wohnung erinnern, blickt er direkt in den riesigen Bunker. "Wir kümmern ums darum, dass die Kollegen immer das Richtige auf ihrem Grillfeuer haben", flachst der 60-Jährige. Er ist seit 36Jahren dabei und kennt den Müll in- und auswendig. Fast wie im Schlaf lenkt er den gewaltigen Greifer in die Müllmassen tief unten. "Tagsüber kann das schon mal etwas mehr werden. Daher nutzen wir die Nacht, um das Ganze zu sortieren." Gilsbach legt über den fünf Tonnen Müll fassenden Greifer laufend Material nach, das dann in den Rosten der Öfen verschwindet. Auf einem Bildschirm sieht er die Temperatur und weiß, was nachgelegt werden muss, damit diese konstant bleibt.

Ein Mitarbeiter der Truppe, der unsichtbar bleibt, ist Frank Gierkens. Er ist Läufer in der so genannten Rauchgaswäscherei. "Er kontrolliert permanent die Funktionstüchtigkeit der gesamten Anlage", erklärt Wendland. Keine leichte Aufgabe, denn in sechs Schritten wird das hochgiftige Rauchgas von Schwefeloxiden, Dioxinen und Furanen getrennt, um die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionswerte jederzeit zu erfüllen. "Am Ende kommt da oben reine Schwarzwaldluft heraus", grinst der Schichtleiter.

Die Nachtschicht in der Müllverbrennungsanlage endet um 5.30Uhr. Wendland und seine Männer fahren dann nach Hause. Das Feuer in den Öfen lodert weiter. Rund um die Uhr.

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