Unterwegs als Kirmestester: Ein Kindheitstraum wird wahr

Die Sprödentalkirmes hat begonnen. Die WZ hat einige Fahrgeschäfte ausprobiert.

Das Riesenrad dreht sich wieder auf der Sprödentalkirmes.

Das Riesenrad dreht sich wieder auf der Sprödentalkirmes.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Was für ein Kindheitstraum. Einmal als Karusselltester auf die Kirmes gehen. Alle Fahrgeschäfte ausprobieren zu können, ohne auf das Portemonnaie zu achten. Den Magen bis an die Grenzen der Belastbarkeit schleudern und hüpfen zu lassen. Um ihn dann im Anschluss mit Fettigem, Klebrigem oder Süßem zu verschließen. Paul Müller ist als Vorsitzender des Niederrheinischen Schaustellervereins Kirmesexperte und -institution in einem. Er empfiehlt das Riesenrad. „Bei den anderen Geschäften macht mein Kreislauf nicht mehr mit“, sagt er. „Kinderkram“, denke ich und bemerke meinen Fehler zu spät.

Unterwegs als Kirmestester: Ein Kindheitstraum wird wahr
Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Was ich vorher nicht wusste: Auch Schwindelfreiheit ist verlernbar. Und die offenen, pilzförmigen Gondeln schwanken wie ein Seemann nach der Happy Hour. Dafür geht mir das Geländer auch nur bis knapp übers Knie. Als mich Fotograf Dirk Jochmann dann in vierzig Metern auffordert, mit ihm die Plätze zu wechseln, ist es so weit und die Blamage perfekt.

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Foto: Jochmann, Dirk (dj)
Sprödentalkirmes eröffnet bei Top-Wetter
27 Bilder

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Mich packt die schiere, nackte Angst. Mit zittrigen Knien — nicht durchgedrückt — stehe ich auf, die Gondel kippt nach hinten, ich schließe die Augen — wie sinnlos — und klammere mich instinktiv an den vermeintlich rettenden Mittelpfosten. Mir gegenüber sitzen Mara Wanner, von Beruf — kein Witz — Flugbegleiterin und ihr fünfjähriger Sohn Diego. Der schaut gelangweilt von oben auf die Kirmes. Was für eine Demütigung.

Etwas Ruhiges muss her. Den Schießstand lasse ich links liegen, ich schieße ohnehin nur Fahrkarten. „30 Lose, fünf Euro“, ruft mir ein Mann entgegen, doch hier lauert die Gefahr in Form des Hauptgewinns: FC Bayern Bettwäsche. Da kommt die Geisterbahn genau richtig.

Aliens, Monster, Frankenstein, Skelette mit leuchtenden Augen, Skelette ohne leuchtende Augen, davor hätte ich als Kind vielleicht Angst gehabt. Heute ist es ziemlich amüsant — mehr nicht. Ich starte einen letzten Versuch, Schwer- und Fliehkraft zu trotzen. Den Spinning Racer will ich — immerhin „Wilde Maus“ erprobt — für mich erobern.

Das Problem diesmal: Der Sicherheitsbügel drückt auf den noch reichlich vorhandenen Winterspeck, dann muss ich auch noch rückwärtsfahren. Zum Glück habe ich kurz vorher noch mit einer Kirmestradition gebrochen und auf Champignons in Knoblauchsoße verzichtet. Trotzdem, das war’s für mich.

Kurz bevor ich gehe, treffe ich noch eine richtige Kirmesenthusiastin. Eda Bayram ist sechs und kommt gerade vom Pony-Reiten. Sie ist noch völlig begeistert. „Jetzt will ich auch ein Pony zu Hause haben“, sagt sie mit süßem Zahnlückenlispeln und Mutter Tamara verdreht die Augen. „Seit einer Woche kennt sie nur noch ein Thema: Reiten auf der Kirmes.“ Das ist der Punkt, an dem mich zwei Erkenntnisse treffen. Erstens: Auch Kindheitsträume haben ein Verfallsdatum. Und zweitens: Unterschätze niemals ein Riesenrad.

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