Tanzen gegen das Vergessen

Die Pontos-Griechen aus ganz Europa feiern in Krefeld und erinnern an ihre verlorene Heimat.

Krefeld. Es war ein kulturelles Tanzspektakel, das am Samstag im König-Palast stattfand: das 32. Europäische Festival Pontischer Volkstänze, in diesem Jahr ausgerichtet vom Krefelder Verein der Griechen aus Pontos Pontiaiki Estia. 44 Tanzvereine, unter anderem aus der Schweiz, Belgien und Schweden, nahmen daran teil. Nicht um gegeneinander anzutreten, sondern um die gemeinsame Herkunft zu feiern und die Tradition zu pflegen. Bis 23.30 Uhr wurden dort Tänze aus der ehemaligen Heimat der Pontos-Griechen, Teilen der heutigen Türkei, gezeigt, nach dem offiziellen Programm war die Tanzfläche auch für die 2000 Zuschauer bis zum Morgen geöffnet.

Zu Beginn ist es im König-Palast fast komplett dunkel, einzig die Bühne ist erleuchtet: Unter einem großen verspielten Banner sind sechs Sängerinnen und acht Musiker mit Streichinstrumenten und Trommeln versammelt. Schon die Ansprache, die auf Griechisch gehalten wird, ist musikalisch untermalt. Zusätzlich sind auf großen Leinwänden Fotos aus den 1920er Jahren zu sehen, Bilder aus der Heimat. „Wenn ich da sitze und das sehe, bekomme ich eine Gänsehaut“, erzählt Ioannis Simeonidis. Der 22-Jährige ist der zweite Vorsitzende des Krefelder Vereins.

Nun werden die 44 Vereinsbanner hereingetragen, zum Großteil in den pontischen Farben schwarz und gelb gehalten. Plötzlich ist die Stimmung in der Halle ausgelassen. Die Türen öffnen sich und aus allen Ecken der Halle tanzen die Tänzer in ihren bunten traditionellen Trachten herein.

1500 Pontos-Griechen bewegen sich rhythmisch auf die Mitte der Halle zu, wo sie zu einem tanzenden Strudel werden, der sich bald wie selbstverständlich wieder auflöst. Ein riesiges geordnetes Chaos. „Nein, eine Probe hierfür gab es nicht“, sagt Simeonidis.

„Wir sind besonders stolz auf unsere Jugendlichen“, betont er. „Die haben einen Großteil der Veranstaltung organisiert.“ Das sei auch das Ziel der Vereine, auch des Verbandes der Vereine der Griechen aus Pontos in Europa, dessen zweiter Schriftführer Simeonidis ebenfalls ist: „Wir möchten unsere Jugend integrieren. Wer sonst wird unsere Kultur in Zukunft hochhalten?“

Denn die kulturelle Identität der Pontos-Griechen ist nicht unproblematisch: In den frühen 1920er Jahren wurden sie, wie die Armenier, aus ihrer Heimat vertrieben, was durch den Vertrag von Lausanne nachträglich legitimiert wurde. „Aber der Genozid an unserem Volk ist in Deutschland bis heute nicht anerkannt“, so Simeonidis. „Auch dafür arbeiten unsere Verbände. Und deshalb sind solche auch eine sehr emotionale Angelegenheit.“

Eines hat der Krefelder Verein als Ausrichter anders gemacht: Zum ersten Mal wurde die Öffentlichkeit durch eine Kooperation mit dem Kulturbüro und dem Integrationsamt aktiv mit einbezogen. „Wir haben sogar ein Schaufenster in der Thalia-Buchhandlung bekommen, um ganz deutlich alle interessierten Nicht-Griechen herzlich einzuladen.“

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