Stadtgeschichte(n): Die Nacht, als die Synagogen brannten

Vom 9. auf den 10. November 1938 zerstören die Nationalsozialisten jüdische Gotteshäuser und Wohnungen.

Krefeld. Der vorläufige Höhepunkt der Verfolgung von Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Sinti und Roma, Behinderten, Zeugen Jehovas und anderen Minderheiten durch die Natinalsozialisten war die Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938. In Krefeld beschränkten sich die Ausschreitungen der Nazis keineswegs nur auf die Synagoge an der Petersstraße. Der fünfte Band der Stadtgeschichte liefert eine Fülle neuer Belege, was wo in dieser und der folgenden Nacht geschah, wo die Fäden zusammen liefen, wer Regie und wer ausführte.

Um 22.30 Uhr kamen die entsprechenden Weisungen in der Kreisleitung der NSDAP am Bismarckplatz an, von wo aus sie an den Kreisleiter Emil Diestelkamp weitergeleitet wurden, der in der Stadtschänke saß. In der Gaststätte, die damals zwischen Westwall und Hubertusstraße lag und im Krieg zerstört wurde, hatte er sein Hauptquartier für diese Tage aufgeschlagen. Die Gestapo-Außenstelle erhielt gegen 4 Uhr per Telefon aus Düsseldorf Weisungen, was sie zu tun habe.

Geschäfte und Wohnungen von Juden sollten "nur" zerstört aber nicht geplündert werden. Die Polizei hatte die Aufgabe, nichtjüdische Geschäfte gegen Schäden zu sichern. Verhaftet werden sollten nach einer Liste bestimmte, zumeist wohlhabende Gemeindemitglieder.

Ein Trupp von der in Fichtenhain stationierten SA-Standarte "Feldherrenhalle" stürmte die Synagoge an der Petersstraße, zerstörte alles und legte Feuern. Historische Quellen belegen: "Das notwendige Benzin hatte auf Anweisung des Geschäftsführers der Industrie- und Handelskammer, Schiedlausky, dessen Fahrer herbeischaffen lassen."

Als nächstes wurde das Gemeindezentrum am Bleichpfad Opfer der Zerstörungswut. Die Feuerwehr sorgte dafür, dass umliegende Häuser vom Feuer verschont blieben. Nazis in Zivil oder in SA oder SS-Uniformen zerstörten weitere 18 Geschäfte.

Die Synagoge in Linn wurde am 10. November zerstört. Da das jüdische Gotteshaus nicht brennen wollte, wurde es von der Feuerwehr bis auf die Grundmauern abgetragen.

Auch in Uerdingen widersetzte sich die an der Bruchstraße gelegene Synagoge den Nazi-Brandstiftern. Daraufhin ließ Dr. Bredt, Prokurist der Firma Pfeiffer und Langen, seine "Werkschar", unterstützt von der SA alles Brennbare aus dem Inneren der Synagoge entfernen. Daraus wurde ein Scheiterhaufen errichtet und verbrannt. Das Gotteshaus wurde später abgetragen und zerstört.

In Hüls setzten SA-Banden die 1883 an der Klever Straße errichtete Synagoge im Laufe des 10.November in Brand. Am Abend drangen SA-Leute in die Wohnhäuser einiger jüdischer Familien ein. Sie zerstörten die Inneneinrichtungen und warfen das Mobiliar auf die Straße. Betroffen waren Menschen wie die Familien Davids und Kaufmann.

Insgesamt 63 jüdische Bürger wurden in Krefeld verhaftet und später in das Konzentrationslager (KZ) Dachau gebracht. Unter ihnen bedeutende Gemeindemitglieder wie der Oberrabbiner Arthur Blum, der Vorsitzende Kurt Alexander sowie der gesamte Gemeindevorstand. Der Novemberpogrom bedeutete das faktische Ende der alten jüdischen Gemeinde in Krefeld.

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