Spielvogel kostete 40 Punkte

Die Ausländerregelung trieb 1985 die seltsamsten Blüten. Am Ende wurde der Krefelder EV in die Abstiegsrunde verbannt.

Krefeld. Ein Kerl wie ein Baum war er, doch am Ende wurde der Krefelder EV seinetwegen zur Schnecke gemacht. Obwohl Randy Spielvogel 1985/86 nur eine einzige Hauptrunde lang Verteidiger beim damaligen Zweitligisten KEV war, stand sein Name eine der spektakulärsten Affären in 75 Jahren Krefelder Eissport.

Rückblende: 1985 versuchte KEV-Boss Uli Urban den Klub aus dem Armenhaus der damals zweigeteilten zweiten Liga in Richtung Bundesliga zu bugsieren. Problem:

Es gab nur zwei Ausländerstellen (beim KEV damals Vic Stanfield und Ken Brown) pro Mannschaft, und qualifizierte deutsche Spieler waren in der Vor-Bosman-Zeit schon aufgrund der Ablösesummen für Zweitligisten unbezahlbar. Man brauchte aber noch mindestens drei bis fünf gute Akteure, um mithalten zu können.

Die Lösung waren die sogenannten „Schäferhund-Deutschen“, sprich Kanadier, die aufgrund irgendwelcher deutscher Vorfahren eine Spielberechtigung als „Deutscher“ erlangen konnten. Ganze Kompanien von Eishockey-Managern durchforsteten Telefonbücher nach Schulzens, Webers etc. oder klapperten deutsche Heimatvereine in Kanada ab.

So kam Urban die Bewerbung eines Herrn Spielvogel gerade recht. Und dessen Körpergröße von 1,94 Metern. Als Meister der blumig-griffigen Beschreibung stilisierte Urban den Abwehrspieler gleich zum „Schlagschuss-Monster“, das selbst die eigenen Torhüter beim Training aus dem Kasten fliehen ließ.

Doch schon bald wurde immer lauter die Spielberechtigung von Spielvogel angezweifelt. Unter anderem vom Liga-Rivalen Duisburg. Dort regierte in Fritz Hesselmann ein „Kenner der Szene“, schließlich waren ihm und dem Klub wenige Jahre zuvor 1981 in der ersten Liga 17 Punkte wegen gefälschter Pässe abgezogen worden.

Damals konnte man in einer Essener Kneipe für einen „Tausi“ einen deutschen Pass fürs Eishockey ergattern. Daraufhin hatte man beim Eishockeybund die Regularien überaus kurios verschärft, so dass Freiburgs Danny Novak deutscher Nationalspieler war, sein Bruder aber als Ausländer spielen musste.

Auch eine 18-monatige Inaktivität war eine Möglichkeit zum „Eishockey-Staatenwechsel“. Und so begründete man beim KEV Spielvogels Einsatz mit einer Wartezeit in der Lüneburger Heide, „als Schäfer“, wie man später witzelte. Je länger die Saison lief, desto intensiver wurde gekämpft.

Ob mit einer Eidesstattlichen Versicherung in Krefeld, die freilich peinlichst genau alle kritischen Punkte umschiffte, bis zu Kopien der Unterlagen, mit denen sich Spielvogel auch in Garmisch beworben haben sollte aus Duisburg — es ging heiß her.Höhepunkt: Randy Spielvogel sollte zur Bundeswehr. Dass der Verteidiger zur Musterung ins Kreiswehr-Ersatzamt bestellt wurde, war Wasser auf die Mühlen Urbans.

Der Auftritt wurde ganz groß in Szene gesetzt, ein legendäres Foto gestellt: Spielvogel in Uniform, mit Schiffchen und Schläger statt Gewehr. Glanzvoller Sieg an der PR-Front, doch im Verband musste Urban auf die Knie.

„Der DEB hatte nichts mehr in der Hand gegen uns, aber die anderen Klubs weigerten sich, gegen uns zu spielen. Das hätten wir nicht überlebt.“ Satte 40 Punkte wurden abgezogen, die völlig konsternierten KEV-Fans fanden sich und den Klub in der Abstiegsrunde wieder.

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