Soziales und politisches Engagement: Auch ohne Parteibuch aktiv

Mitglieder von Amnesty International oder die Globalisierungskritikerder Gruppe Attac — in Krefeld engagieren sich kleine Gruppen politisch und sozial.

Krefeld. „Wissen Sie, wie viele Flüchtlinge im Jahr 2012 im Mittelmeer ertrunken sind? 1500. Diese Zahl kennt kaum jemand — aber fast jeder weiß, wie der Nachwuchs der Elefanten im Zoo heißt“, beantwortet Heidrun Blume ihre Frage selbst.

Der darin mitschwingende Vorwurf der 44-jährigen Krefelderin richtet sich nicht gegen den Zoo, sondern greift vielmehr das aus ihrer Sicht zu geringe Bewusstsein vieler Mitbürger für menschliche Tragödien auf. Auch an die Medien und deren Themenselektion richtet sich die Kritik der Frau, die seit fünf Jahren zu den aktiven Mitgliedern der Krefelder Gruppe von Amnesty International (AI) gehört.

Gemeinsam mit zehn anderen Frauen und vier Männern zwischen 35 und 70 Jahren engagiert sich Heidrun Blume ehrenamtlich für die Ziele der Nichtregierungsorganisation, die seit 1969 mit der Krefelder Gruppe am Niederrhein vertreten ist. „Kerngebiete sind das Entlarven von Menschenrechtsverletzungen, Aktionen gegen und Aufklärung über Folter, die Todesstrafe und das Verschwinden von Menschen sowie der Einsatz gegen die Inhaftierung von politischen Gefangenen“, beschreibt Blume die Arbeit von Amnesty International.

„Dazu gehören viel Idealismus und Ausdauer“, ergänzt Carla Greimel. Die 67-Jährige ist bereits seit 18 Jahren für die AI-Gruppe aktiv. Die jüngste AI-Aktion in Krefeld etwa fand am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte statt: Eine Mahnwache sollte auf das Schicksal der inhaftierten oder verschwundenen Iraner, Abdolfattah Soltani und Nasrin Sotoudeh, einem Anwalt und einer Menschenrechtsaktivistin, aufmerksam machen. Aber auch Ausstellungen, oder themenbezogene Projektarbeiten in Schulen werden regelmäßig von den AI-Aktivisten vor Ort organisiert.

Es gibt in Krefeld mehrere politisch engagierte Gruppen, die nicht zu Parteien gehören und größtenteils aus wenigen aktiven Mitgliedern bestehen. Die vermeintlich großen Probleme dieser Welt wollen sie nicht nur Politikern oder Prominenten überlassen — ohne sich zu Weltverbesserern aufzuschwingen, ist es ihr Anliegen, sich ihren Möglichkeiten entsprechend einzumischen.

Mit Kolja Mendler sind die Frauen von Amnesty International nicht bekannt. Auch er setzt sich in Krefeld dafür ein, soziales und gesellschaftliches Unrecht möglichst zu verringern, mindestens aber als solches zu entlarven — in der Ortsgruppe des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. Dabei liegt der Schwerpunkt Mendlers und seiner Mitstreiter eher auf dem lokalen Wirkungsbereich: „Die uns von Politikern häufig als alternativlos präsentierten Funktionsweisen des Kapitalismus wirken sich ganz konkret bis in den Lebensalltag der Menschen aus“, sagt Mendler.

Als ein Beispiel dafür in Krefeld nennt der 45-Jährige den Gründungsanlass für die Ortsgruppe von Attac: „2002 gab es in der Verwaltung die Überlegung, Teile der städtischen Infrastrukturen zu privatisieren und an einen Investor aus den USA zu verkaufen. Dagegen haben wir — zum Glück erfolgreich — mobilisiert.“ Dieses sogenannte Cross-Border-Leasing hätte dazu geführt, dass die Krefelder in eine Abhängigkeit von Gewinninteressen des neuen Eigentümers geraten wären, so Mendler. „Das hätte sicher nicht die Qualität verbessert“, sagt er.

Vorträge und Lesungen, aber auch in der Stadt mit einem Stand präsent zu sein, um Gespräche oder Infomaterial anzubieten, gehören zu den Aktionsformen von Attac wie auch von Amnesty International. „Wichtig ist, dass sich die Menschen besser vernetzen, um ihre Interessen vertreten zu können“, sagt Mendler. Dafür müsse man aktiv werden und den Entscheidungsträgern „auf die Finger schauen“. So plant er mit seinen Kollegen im Frühjahr eine Info-Kampagne über die Vergabeverfahren bei großen Bauprojekten durch öffentliche Träger — am Beispiel der Krefelder Feuerwache.

Beiden Aktivisten-Gruppen ist gemein, dass sie sich über mehr Menschen freuen würden, die die Arbeit unterstützen und sich einbringen wollen. „Wir koordinieren unsere Arbeit oft mit dem Krefelder Sozialbündnis“, beschreibt Kolja Mendler von Attac. Es wären sonst einfach zu wenig Leute vorhanden.

Jutta Koebernick bedauert diesen Zustand auch bei Amnesty International: „Es kommen immer mal wieder Leute zu den Treffen, aber vor allem über mehr Aufmerksamkeit junger Menschen würden wir uns freuen“, sagt sie. Denn ohne ehrenamtliches Engagement und Interesse an den Mitmenschen sei keine Gesellschaft funktionsfähig.

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