Sido – ein zahmer Skandal-Rapper

Sido lässt es in der Kulturfabrik ruhig angehen und wirkt dabei reflektiert – und erwachsen.

Krefeld. Skandal-Rapper sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Als Sido, das superintelligente Drogenopfer, vor sechs Jahren das erste Mal in der Kulturfabrik weilte, kostete ihn das im Nachhinein mehr als zehntausend Euro. Denn während seines Auftritts muss er nicht nur ein Gesetz gebrochen haben. Am Mittwoch allerdings wirkt er während seines Konzerts reflektiert und erwachsen.

Sido wirkt geläutert und ist damit salonfähig geworden: Am Valentinstag machte er seiner langjährigen Freundin Doreen, die es mit der Popstars-Band Nu Pagadi nur zu mäßigem Erfolg gebracht hatte, einen Heiratsantrag. Der Musiksender MTV adelte den Berliner kürzlich mit einem Unplugged-Konzert, das er in seiner Heimat, dem Märkischen Viertel, spielte. Und in Krefeld gesteht er: "Ich hab’ in meinem Leben echt viel Scheiße gebaut."

Seine Maske trägt er schon lange nicht mehr. Doch zu verstecken hat der bekennende Kiffer anscheinend doch etwas, denn er ist fast nie ohne Sonnenbrille zu sehen - auch nicht in Krefeld.

Auf der Bühne steht Paul Würdig, wie Sido gebürtig heißt, mit einer ausgewachsenen Band: Schlagzeuger, Gitarrist, Bassist, Keyboarder und DJ sorgen für einen richtig guten, dynamischen Sound. Sido trägt ein weißes T-Shirt und einen Kapuzenpulli. Der 29-Jährige ist mit fast einem Jahrzehnt Bühnenerfahrung zu einem richtigen Entertainer mutiert, er hat das Gespür für den richtigen Moment entwickelt.

Doch in Krefeld lässt er es ruhig angehen. Im Auftakt-Song "Sido" vom neuen Album "Aggro Berlin" lobt er die Sängerin Stefanie Heinzmann, die von Stefan Raab entdeckt wurde, und rechnet mit seiner Zeit als Popstars-Juror ab.

Danach folgt sofort die Ballade "Hey Du", die ein älterer Mann im Publikum komplett mitsingt. Auch das traurige Lied "Herz" von der Vorgänger-Platte "Ich & Meine Maske" ist zu hören. Er rappt über Verantwortung, Reue, neue Perspektiven - und ist kaum wiederzuerkennen.

Natürlich geht es immer auch noch um Drogen, Frauen und Alkohol. Und natürlich kippt sich Sido während des Konzerts gemeinsam mit Harris, seinem Duettpartner bei den "Lieblingsrappern", der das Vorprogramm gestaltet hat, einen Jägermeister nach dem anderen in die Birne. Doch er kann es nicht verstecken: Er ist viel milder geworden, was man vor allem der Songauswahl anmerkt. Denn die ganz großen Pfui-Lieder sind nicht dabei.

Doch seine Fans in Krefeld scheinen vom geläuterten Sido nicht allzu viel zu halten. Nur 450 sind gekommen, das letzte Konzert Ende 2008 dagegen war rappelvoll. Und diejenigen, die anwesend sind, wollen nur ein Lied hören. Statt "Zugabe" skandieren sie "Arschficksong".

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