Schafschur in Hüls: Vier Kilo weniger in Minuten

Bei Schäfer Bosch in Hüls surren die Scheren. Seinen Tieren geht es ans Fell.

Krefeld. Außen ist der "Wintermantel" der Schafe recht schmutzig und strähnig. Innen an der Haut zeigt er sich flauschig, cremeweiß bis gelblich und erinnert an "Das goldene Vlies", an das Fell des Goldenen Widders aus der griechischen Mythologie. Die Kuschelwolle wird aber erst sichtbar, wenn die elektrischen Scherscheren surren. Bei Schäfer Manfred Bosch an der Vobis in Hüls ist es jetzt soweit. Seiner leise blökenden Herde geht es ans Fell; der "Wintermantel" muss ’runter.

Knapp 100 Tiere aus eigener Zucht und von Nachbarn liegen vor der Scheune in einem Pferch und widmen sich ihrer zweitliebsten Beschäftigung nach dem Fressen: dem Wiederkäuen. Morgens hat es geregnet, kein gutes Wetter für die Schafschur. Dann trocknen die lebenden Felle und der Schäfer atmet auf. "Jetzt ist die Wolle lose und reif", sagt er und greift demonstrativ ins Haarkleid. "Wenn nicht, kann die Schere nichts ausrichten. Die Schur ist Körperpflege und vom Tierschutz vorgeschrieben. Bis zur kalten Jahreszeit muss der ,Wollmantel’ nachwachsen."

Diesmal kommen die vier Scher-Profis und der "Aufsetzer" aus Polen. Sie werden sehnlich erwartet. Nur nicht von den Tieren. Sie sind unruhig und drängen sich aneinander, als die Männer in die Koppel steigen. Die Lämmer bleiben eng bei der Mutter; mit dem Schweigen ist es vorbei.

Die Schafscherer nehmen es gelassen und streicheln den Tieren kurz über den Kopf. "400 bis 500 Schafe befreien wir jeden Tag von ihrer Wolle", berichtet Richard Stachowski und der Schäfer ergänzt: "Die Schafe besitzen zwischen 70 und 80 Kilo Lebendgewicht. Da braucht der Scherer gute Muskeln, um sie zu halten. Hinterher sind die Schafe drei bis vier Kilo leichter."

Damit die Schur schnell geht, greift der "Aufsetzer" die Tiere am Rückenfell und unter dem Kopf und setzt sie den Männern vor die Beine. Flucht ist so unmöglich. Dann blöken die Schafe auch nicht mehr, sondern lassen den Drei-Minuten-Schnitt über sich ergehen. Stachowski beginnt bei den Hinterbeinen, fährt unter dem Kopf des Tieres entlang und löst das Fell in einem Stück von der Haut. Fusseln fliegen auf. Spätestens beim dritten Tier fließt der Schweiß der Scherer in Strömen.

Derweil sammelt Bosch die Wollberge ein. Sie sind fettig, seine Hände glänzen. Das ist Lanolin", weiß der Fachmann. "Die Wolle bringe ich nach Mönchengladbach zur Wollwäscherei." Von dort wird sie verkauft. Viel bringe das nicht ein. "Wolle ist so billig."

Wenn der Pelz weg ist, kommt die Herde wieder auf die Wiese. Glücklicherweise ist es nicht so heiß, dass die Schafe Sonnenbrand bekommen. Gänsehaut bekommen sie auch nicht. "Es ist nicht mehr so kalt." Die älteren Blöker gucken recht belämmert aus ihren hellen Augen; die Lämmer hingegen nicht. Sie sind wieder bei Muttern und kommen in ihrem ersten Lebensjahr ungeschoren davon.

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