Rettungswagen bringt Frühchen von Spanien nach Krefeld

Eine Odyssee hat eine Mutter mit ihren Zwillingen hinter sich. Die Babys kamen 13 Wochen zu früh in Andalusien zur Welt.

Krefeld. Diese Schwangerschaft ist anders als geplant verlaufen: Eigentlich will Xiaowei Zhan dem Pollenflug am Niederrhein entgehen, als sie sich entschließt, im Frühjahr ihre Schwester in Cordóba zu besuchen. Die Chinesin, die seit über 20 Jahren in Deutschland lebt, befindet sich Ende der 26.Woche und soll während der Schwangerschaft keine Medikamente gegen ihre Allergien nehmen. Also ab für ein paar Wochen ins pollenfreie Andalusien. Der Flieger landet am 12. April, fünf Tage später liegt Xiaowei im Kreißsaal des örtlichen Krankenhauses - 13 Wochen zu früh.

Zwei Mädchen hat sie zur Welt gebracht: Zuerst kam Zhihan (925 Gramm), eine Minute später folgte Ruohan (genau 1000 Gramm). Sie kommen in den Brutkasten, die Ärzte in Cordóba geben ihr Bestes. Doch eine Mutter-Kind-Station existiert nicht. Xiaowei und ihre Schwester verbringen 24 Stunden am Tag abwechselnd neben den Säuglingen in einem Garten-Liegestuhl - exakt 2175 Straßenkilometer vom heimischen Tönisberg entfernt.

Dort bekocht Vater Dongdong Zhan an der Vinnbrück die Gäste seines Wok In und kümmert sich um seinen Sohn Yihan (3). Als er seine Frau und die Zwillingsmädchen besuchen will, kommt erst einmal die Aschewolke aus Island dazwischen.

An einen Rückflug von Mutter und Frühchen ist nicht zu denken - wegen fehlender Technik für Brutkästen in Linienmaschinen einerseits und des für Säuglinge gefährlichen Kabinendrucks andererseits. Ein Transport im Rettungshubschrauber ist unbezahlbar. Also wird gewartet, bis die Babys in einem transportfähigem Zustand sind - mehr als vier Monate.

Zum Glück gibt es ja die Schwester, Hotel- und Restaurantkosten entfallen. Die private Krankenversicherung der Zhans hätte nichts erstattet, sie will auch nicht für den Landtransport von Mutter und Kindern aufkommen. "Die sieht keine medizinische Notwendigkeit für die Verlegung", berichtet der Vater.

Vergangene Woche rollt der Rettungswagen der "Ambulancia Andalucia" vors Helios-Klinikum am Lutherplatz. Die knapp 4400 Kilometer lange Tour (hin und zurück) hat der Vater im Voraus bezahlt. 25 Stunden hat die Mutter auf einem Sitz auf der Transportfläche neben ihren Frühchen verbracht. Zhihan, der schwächeren Zwillingsschwester wird unterwegs Sauerstoff zugeführt.

Der Vater fängt den Rettungswagen auf der B 9 bei Hüls ab, denn die beiden spanischen Fahrer befinden sich auf deutschem Gebiet praktisch im "Blindflug" : Ihr Navigationsgerät stellt hinter Belgien die Arbeit ein.

Am Dienstag hat Ruohan in der Säuglingsstation des Klinikums schon einen Schnuller im Mündchen. Sie wiegt 2980 Gramm, ihr Schwesterchen 30 Gramm weniger. Noch sieben bis zehn Tage werden sie in der Station von Schwester Anneliese Laermann bleiben. Ob die Frühchen hirnorganisch geschädigt sind, kann jetzt noch nicht festgestellt werden. Süß sind sie allemal.

Die Stationsleiterin und ihre Kolleginnen müssen die Mutter nicht mehr ins Wickeln, Füttern und in die Verabreichung von Medikamenten (Elektrolyte und Eisenpräparate) einweisen. Das alles ist schon in Cordóba geschehen.

Schwester Anneliese war übrigens ziemlich überrascht, als sie sah, wen die andalusische Ambulanz bei ihr ablieferte: "Letzten Heiligabend habe ich im Wok In gegessen. Ein Tipp von Freunden". Und auch Dongdong Zhan hatte einen Tipp bekommen: "Bring die Frühchen im Klinikum unter", rieten Gäste. Keine Frage: Die Eltern sind happy.

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