NS-Spitze floh von Uerdingen über den Rhein

Bis zuletzt forderten OB Heuyng und Kreisleiter Diestelkamp Opferbereitschaft. Sie selbst flohen über die Rheinbrücke.

NS-Spitze floh von Uerdingen über den Rhein
Foto: Stadtarchiv

Krefeld. Am Dienstag vor 70 Jahren drängten sich viele Krefelder in den Luftschutzkellern und hoffnungslos überfüllten Bunkern, um Schutz zu finden. Nur die politische Führung und ihre Gesinnungsgenossen hatten sich rechtzeitig auf die rechte Rheinseite abgesetzt, bezeichnenderweise auch der als örtlicher Vertreter des Reichsverteidigungskommissars fungierende NSDAP-Kreisleiter Erich Diestelkamp. So verzeichnet es die Stadtgeschichte, Band 5, auf Seite 341 über die Tage Anfang März 1945.

Oberbürgermeister Alois Heuyng (SA-Obersturmbannführer) hatte es ihm, seinen engsten Mitarbeitern und den maßgeblichen Stellen der Stadtverwaltung gleichgetan und nur eine kaum handlungsfähige Restverwaltung zurückgelassen. Auf Seite 352 wird festgestellt: „Die Spitzen von Partei- und Stadtverwaltung waren im Laufe des 1. März bzw. in der Nacht auf den 2. März und noch an diesem Tage selbst unter Mitnahme der wichtigsten Akten und Unterlagen auf die rechte Rheinseite ausgerückt, und hatten in Wuppertal Unterkunft gefunden. Das berichtete Bürgermeister Dr. Witten in der Sitzung des Stadtbeirates am 13. September 1945."

Zum Verbleib des Oberbürgermeisters heißt es dazu in den Dokumenten: „Nachdem Dr. Heuyng sich an nicht bekanntem Datum, allerdings unter Hinterlassung seiner neuen Adresse, nach Holstein abgesetzt hatte, lag die Leitung der Krefelder Notverwaltung in den Händen von Bürgermeister und Polizeichef Dr. Emil Hürter, der offenbar bis zum Einmarsch der Amerikaner seinen Amtspflichten nachkam . . .“.

Nach dem Kriegsende wurde Erich Diestelkamp im Lager Eselsheide interniert. Er wurde zweimal verurteilt, einmal wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit vom Schwurgericht in Krefeld zu zwei Jahren und sechs Monaten Haft, das zweite Mal als Zugehöriger zum politischen Leitungskorps der NSDAP und wegen seiner Rolle während des Novemberpogroms 1938 zu einem Jahr und sieben Monaten Haft. Das geht aus Unterlagen des Stadtarchivs hervor. Bis 1957 arbeitete Diestelkamp als Reisevertreter in Gütersloh, anschließend war er Versicherungsvertreter einer Bausparkasse. Er verstarb 1983 mit 82 Jahren in Bielefeld.

„Nach 1945 zur Verantwortung gezogen wurden nur wenige“, heißt es im Geschichtsbuch der Stadt. Heuyng wurde nach Kriegsende als „Mitläufer“ zwei Jahre lang interniert. Das bezeichnet er als „englische Konzentrationslager“. Danach tauchte er wieder in Krefeld auf. Dazu das Geschichtsbuch: „Es gelang nicht einmal, Dr. Heuyng die Versorgungsbezüge aus seiner Tätigkeit als NS-Oberbürgermeister zu entziehen, obwohl die Stadt Krefeld dies durch alle Gerichtsinstanzen versucht hat.“ Heuyng, das belegen ebenfalls Stadtarchiv-Unterlagen, bezog ab 1956 eine Pension von 1400 Mark (Durchschnittseinkommen damals 403,60 Mark) bis zu seinem Tod am 18. September 1973 in Krefeld.

Heuyng wurde 83 Jahre alt. Nach Auskunft der Friedhofsverwaltung ist er nicht in Krefeld begraben. Vor seiner Berufung zum Oberbürgermeister 1933 war der Jurist Heuyng Syndikus beim Verband der Metallindustriellen des linken Niederrheins mit Sitz am Ostwall 227. Einer der Drahtzieher der Installation Heuyngs als OB war der Metallunternehmer Paul Kleinewefers.

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