Mauerfall mit Straßenkampf

Rekordverdächtige 500 Einsätze fernab Krefelds hat Jürgen Klaffki hinter sich. Vor 20 Jahren war er in Kreuzberg eingesetzt.

Krefeld. Seine erste Urkunde bekam Jürgen Klaffki im November 1972 vom bayerischen Ministerpräsidenten Alfons Goppel - seine vorerst letzte am Freitag vom Polizeipräsidenten Rainer Furth. Die eine für seinen Einsatz als 20-jähriger Oberwachtmeister bei den Olympischen Spielen von München mit dem Terroranschlag auf die israelische Delegation, die andere mit neun Kollegen für 40 Jahre Zugehörigkeit zum Polizeidienst. Der 1970er Jahrgang ist ein starker in dieser Branche.

Klaffki ist 58 Jahre alt und - wie alle wissen, die ihn kennen - im Herzen ein Straßenkämpfer. Derzeit ist sein Reich jedoch ein hochtechnisiertes. Der Erste Polizeihauptkommissar ist Leiter des 35-köpfigen Führungs- und Lagedienstes mitsamt Leitstelle. "Aber immerhin spielt sich hier auch das Einsatzgeschehen ab", tröstet er sich beim Gang vorbei an Flachbildschirmen, Video-Leinwänden, Beamern und kopfhörerbestückten jungen Kollegen.

Genau zur Halbzeit seines bisherigen Arbeitslebens, als Leiter des Einsatzzuges (1984 bis 1996) durfte Jürgen Klaffki mit 40 seiner Krefelder Kollegen nach Berlin - vom 1. bis zum 4. Oktober 1990. Mission impossible: Randale verhindern bei den Vorbereitungen zur Wiedervereinigungsfeier. "Wir kamen mit einem Sachschaden von 20000 Mark an Dienstfahrzeugen zurück", erinnert sich Klaffki. Ausgerechnet in Kreuzberg hatte man den Krefelder E-Zug einem Berliner Partner-Zug zur Seite gestellt. "Straßenkampf in Kreuzberg", "Bürgerkrieg am Alex", "Chaoten machen Jagd auf Feiernde", titelten die bürgerlichen Blätter. "Wir bleiben dabei: Nein zum Anschluss", schrieb die Sozialistische Zeitung. "Die Straßensperren mussten wir selbst aus dem Weg räumen", so Klaffki.

Bis zum 3. Oktober galt im Osten noch DDR-Recht. Also mussten die West-Beamten noch ein bisschen im Ost-Recht blättern, ehe sie Krawallmacher festsetzten. "Der Unterschied war aber nicht so groß", sagt Klaffki. Und am Tag vor der Wiedervereinigung rollten die 40 Krefelder Beamten mit ihren sieben Autos durch das Brandenburger Tor - und zwar von Ost nach West. "Das war schon ein historisches Ereignis", sagt der Hauptkommissar, der sich von vielen jüngeren Kollegen unterscheidet - etwa im unbefangeneren Umgang mit der Presse.

Fünf Jahre vorher war er mit seinen E-Zug-Kollegen schon mal in Berlin: Beim Pokaltriumph von Bayer 05 Uerdingen über Bayern München, dem ersten Endspiel im alten Olympia-Stadion, zu dem 15.000 Krefelder mitgereist waren. Einmal verhinderte Jürgen Klaffki eine Niederlage des einstigen Werksclubs am grünen Tisch. Bochums Torhüter Ralf Zumdick ("die Katze") war in der Grotenburg von Trockeneis-Brocken getroffen worden. Noch in der Nacht ermittelte Klaffki den Werfer. Weil es die Tat eines Einzelnen war, pochte der DFB nur auf ein Wiederholungsspiel. "Das gewann Uerdingen 3:1 - und stieg nicht ab", grinst der Straßenkämpfer.

Gandhi und Friedensdemos in Bonn, Steinwürfe auf den Wagen von US-Vizepräsident George Bush jr. bei der Philadelphiade 1983, Brokdorfer Blockaden, der Brandanschlag auf eine türkische Familie in Solingen - immer war Klaffki mit dabei. Über 500 auswärtige Einsätze hat der Mann hinter sich gebracht und später Ost-Polizisten in der "Beweissicherung bei Landfriedensbruch und ähnlichen Tumultsituationen" in Brandenburg geschult.

Und auch Kriminalhauptkommissar war Klaffki schon (1998 bis 2004 Leiter Fahndung und Zeugenschutz). Da schnappte er auf dem Südwall ein gesuchtes Camorra-Mitglied von der Amalfi-Küste. Auf der A 57 gleich hinter der Anschlussstelle Oppum prügelte er sich mit dem Entführer einer Düsseldorfer Prostituierten, die noch gefesselt auf der Rückbank des BMW lag. Die spätere Verfilmung im "Reality-TV" findet Klaffki heute noch "an den Tatsachen vorbei gedreht".

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