Vorlesen Märchenerzähler für Tierheim-Miezen

Jonathan Walter liest Katzen Geschichten vor. Das entspannt die manchmal sehr menschenscheuen Samtpfoten und macht dem Elfjährigen viel Spaß.

Vorlesen: Märchenerzähler für Tierheim-Miezen
Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Kitty mag Krimis, Kinderkrimis. Als Jonathan sich auf den Boden ihrer Box setzt und in seinem Buch blättert, spitzt die Katze die Ohren. Als der Elfjährige die ersten Seiten aus „Der Geheimbund der Skorpione“ vorzulesen beginnt, bleibt Kitty erst einmal auf Abstand. Wenige Seiten später in Renée Hollers Ratekrimi hat sie sich schon ein bisschen angeschlichen. Es dauert nicht lange und die Samtpfote sitzt auf Jonathan Walters Schoß. Der Junge strahlt über das ganze Gesicht.

„Es macht Spaß, wenn man sieht, dass man Tiere glücklich machen kann“, sagt der Inrather, der zum fünften Mal zum Vorlesen ins Tierheim am Flünnertzdyk gekommen ist.

Eigentlich ist der Schüler des Ricarda-Huch-Gymnasiums nicht unbedingt ein großer Bücherwurm. In seiner Freizeit hat er bisher lieber Fußball gespielt oder ist Mountainbike gefahren. Doch jetzt wird er einmal in der Woche nach der Schule zum Katzenflüsterer.

Damit gehört er zu derzeit zehn Kindern, die regelmäßig ins Tierheim kommen, um den englisch Kurzhaar oder MaineCoon in ihren Boxen vorzulesen. Der Tierheim-Gründer und ehemalige Leiter Dietmar Beckmann hatte vorgeschlagen, die Idee aus den USA auch in Krefeld umzusetzen.

In den Sommerferien ging es los. Und schon jetzt ist ein Effekt zu sehen, sagt Tierpflegehelferin Andrea Baden. „So viele vorher zurückhaltende Katzen haben sich geöffnet“, sagt sie und nennt als Beispiel „zwei Katzenmuttis, die erst sehr scheu waren“. Jetzt sind die beiden deutlich aufgetaut.

Das muss nicht heißen, dass alle kleinen Tiger die Vorleser gleich mit der Nase anstupsen, ihren Kopf an ihnen reiben oder sich streicheln lassen. Bei manchen ist es schon eine Verbesserung, wenn sie in ihren Boxen nicht mehr im großen Bogen um die Mädchen und Jungen herumlaufen.

Selbstverständlich sind unter den derzeit rund 100 Katzen im Tierheim auch solche, die von ihren Besitzern zum Beispiel wegen Allergien, einem Umzug oder auch aus finanziellen Gründen abgegeben werden. Aber viele Miezen sind auch sichergestellt oder als Fundtiere abgegeben worden. Oft sind diese Katzen menschenscheu. Was sie erlebt haben, können die Tierpfleger nicht einmal ahnen.

„Je entspannter sie aber im Umgang mit Menschen werden, umso größer ist ihre Chance wieder vermittelt zu werden“, sagt Andrea Baden. Dabei helfen nun auch die Kinder.

„Und für die Mädchen und Jungen ist es auch super, sie lernen noch besser lesen, gehen mit einem Lächeln hier raus, haben immer etwas zu erzählen“, sagt die Tierpflegehelferin. Das kann Jonathans Mutter Inge Walter bestätigen.

Ihr Sohn sei „stolz wie Oskar gewesen, als das erste Mal eine Katze auf seinen Schoß sprang“. Und der tierliebe Jonathan merkt, dass er selbst unter den Katzen „auch ein bisschen ruhiger wird“.

Sein Freund und Mitschüler Ben (11) hat jetzt ebenfalls als Vorleser im Tierheim angefangen. Er ist seit frühester Kindheit großer Katzenfan. Zuhause wäre aber kein Platz für ein Tier, sagt seine Mutter Anja Zimmermann. Er ist am liebsten bei den Katzenkindern. „Die sind niedlich.“

Heute hat er ihnen „Nick Nase, der große Detektiv“ von Marjorie Weinman Sharmat mitgebracht. Auch Ben weiß, dass er warten muss, bis sich die Vierbeiner von selbst nähern. Ganz geduldig wartet er und wird mit einer Schmuserunde von Kater Timmy belohnt.

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